Stress bewirkt beim Pferd wie auch beim Menschen eine kurzfristige Steigerung der Performance. Das ist der natürliche Effekt dieser Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Im Stressmodus werden aber auch wichtige Körperfunktionen heruntergefahren, die längerfristig für die reibungslose Funktion des Pferdeorganismus notwendig sind. Deshalb solltest du Dauerstress bei deinem Pferd vermeiden. Hier erfährst du alles Wichtige zum Thema Angst und Stress beim Pferd.
Stress ist zumeist eine körperliche Reaktion auf Situationen, die von einem Pferd als bedrohlich wahrgenommen werden. Er kann aber unter anderem auch durch Schmerzen, Überforderung oder mangelhafte Haltungsbedingungen ausgelöst werden. Nicht zuletzt kann es auch unser Verhalten oder unsere Art zu reiten sein, die bei unseren Pferden Stressreaktionen hervorrufen.
Stress bewirkt die Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Bei der sogenannten „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ produziert der Organismus Adrenalin und Cortisol, die Herzfrequenz erhöht sich und es kommt zu einer unwillkürlichen Reaktion des Verdauungssystems. Dann wird das neuroendokrine System aktiv und stellt dem Organismus mehr Energie zur Verfügung. [1]
Um eventuellem Dauerstress vorzubeugen, sollten Reiter die Anzeichen für Stress bei Pferden erkennen können. Aber wie zeigen Pferde Stress? Hier eine Liste der häufigsten Stressreaktionen beim Pferd:
Diese Stresssymptome treten bei Pferden nicht unbedingt alle gleichzeitig auf. Du kannst jedoch davon ausgehen, dass dein Pferd unter Stress steht, wenn es mehrere dieser Reaktionen gleichzeitig zeigt. Einige dieser Anzeichen können auch Indikatoren für Schmerzen sein. Ein Pferd mit typischem Schmerzgesicht steht schließlich ebenso unter Stress wie ein Tier, das aus anderen Gründen gestresst ist.
WICHTIG: Wenn du den Verdacht hast, dass dein Pferd Schmerzen haben könnte, solltest du deinen Tierarzt benachrichtigen.
Stress beim Pferd drückt sich auch durch eine erhöhte Körperspannung aus. Bestimmt hast du schon einmal ein friedlich grasendes Pferd gesehen, das wegen irgendeinem ungewohnten Außenreiz plötzlich den Kopf hochreißt und zur Salzsäule erstarrt. In Sekundenschnelle wird dabei Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, um dem Pferdeorganismus mehr Energie zur Flucht bereitzustellen. Fast jeder, der ein solches Pferd beobachtet, versteht intuitiv, dass so ein Tier jederzeit „explodieren“ kann.
Praxistipp zum Beurteilen der Körperspannung beim Pferd
Wir haben in vielen Jahren Pferdepraxis festgestellt, dass es einen besonderen Punkt am Mähnenkamm gibt, der dir verraten kann, ob dein Pferd verspannt oder entspannt ist. So findest du ihn:
Eine der Hauptursachen für Stress bei Pferden ist der Mensch [2]. Die bekannte Verhaltensforscherin und Tierärztin Dr. Sue Dyson hat sich deshalb damit auseinandergesetzt, welche Anzeichen bei einem Pferd auf Schmerzen unter dem Reiter hinweisen. Sie hat einen 24-Punkte-Plan mit entsprechenden Symptomen erstellt [3]. Hier der Link zu ihrer Publikation, falls du dich näher mit dem Thema beschäftigen möchtest: https://www.24horsebehaviors.org/
Missverständnisse zwischen Reiter und Pferd setzen das Tier häufig unter Stress. Vergiss nicht, dass dein Pferd oft raten muss, wozu deine Signale gedacht sind. Erst mehrmalige Wiederholungen und positive Verstärkung der richtigen Reaktionen geben dem Pferd die Sicherheit, dass es dich versteht. In der Zwischenzeit kann es angespannt sein und gestresst wirken. Also nimm dir die Zeit, eine gute Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd aufzubauen – nicht nur beim Reiten, sondern auch am Boden.
Umweltreize wie starke Hitze, Insektenplage, Lärm oder Unwetter können ebenfalls Stress bei Pferden auslösen. Wenn du dir ein „cooles Pferd“ wünschst, solltest du für stressfreie Haltungsbedingungen sorgen. Für Herdentiere gehört dazu die Möglichkeit zu sozialer Interaktion. Als Lauftier braucht dein Pferd sehr viel Bewegung, um „cool im Kopf“ zu bleiben. Und als Dauerfresser sollte es nie länger als sechs Stunden ohne Raufutter verbringen. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Magensäure seine Magenwände angreift und ein Magengeschwür entsteht [2].
Ob im Magen oder anderswo: Schmerzen verursachen Stress, auch bei Pferden. Eine nicht völlig ausdiagnostizierte Arthrose, Verschleißerscheinungen wie Senkrücken oder Kissing Spines, eine unentdeckte Lahmheit – die Liste der Pferdekrankheiten, die Schmerzen verursachen können, ist endlos. Wenn du deinem Pferd Stress aufgrund von Schmerzen ersparen willst, kannst du aufwändigere Diagnosen in einer Pferdeklinik durchführen lassen. Dort erhältst du auch schnellere Resultate als beim Tierarzt.
Hier ein stichpunktartiger Überblick über Stressauslöser beim Pferd:
Eben ging das Pferd auf einem Ausritt noch entspannt am langen Zügel. Aber plötzlich reißt es den Kopf hoch, drängelt nach vorn und würde am liebsten in einer Staubwolke am Horizont verschwinden. Natürlich hat sein Reiter mal wieder nicht mitgekriegt, dass hinter einem bestimmten Busch ein lebensbedrohliches Monster lauern könnte…
Eine plötzliche Wesensveränderung beim Pferd ist zumeist ein Anzeichen für akuten Stress. Der kann bei Pferden durch Ursachen getriggert werden, die ihre Reiter überhaupt nicht wahrnehmen können. Pferde sind uns in puncto Geruchssinn, Gehör und Geschmackssinn haushoch überlegen. Sie können bloß nicht auf dieselbe Weise sehen wie ein Mensch, weil ihre Augen – wie bei jedem Fluchttier – seitlich am Kopf sitzen.
Für Fluchttiere ist das ungeheuer praktisch, weil sie auf diese Weise auch Bedrohungen wahrnehmen können, die von der Seite oder von hinten auf sie zukommen. Pferde sind Bewegungsseher. Sie können zwar sehr gut Bewegungen wahrnehmen – aber sie sehen nicht wirklich scharf. Deshalb schnuppern sie erst einmal an einem Weidekameraden, wenn der sich ihnen nähert.
Akuter Stress – wie „das Monster hinter dem Busch“ – ist für Pferde nicht schädlich. Sie sind dafür ausgelegt, auf Stresssituationen mit Flucht zu reagieren und sich anschließend schnell wieder abzuregen. Wenn du sie an ihrer Fluchtreaktion hindern möchtest, solltest du ruhig und bestimmt die Rolle des ranghöheren Herdenmitglieds einnehmen. Das funktioniert zum Beispiel, indem du energisch vorwärtstreibst, aber die Gangart kontrollierst.
Was nicht funktioniert: Der Versuch, ein Pferd in Stresssituationen durch Streicheln und beruhigende Worte „abzuregen“. Es empfindet das als positive Verstärkung, also als eine Art „gut so“. Wenn du hingegen energisch auf der Durchführung einer bekannten Aufgabe beharrst (und sei es schlimmstenfalls nur Rückwärtsrichten, falls dein Pferd irgendwo nicht „vorbei möchte“), gibst du ihm Sicherheit durch die Demonstration deiner Führungsqualitäten und es regt sich ab.
Wenn bei einem Ausritt plötzlich ein Vogel aus dem Gebüsch flattert, erschrecken sich die meisten Pferde. Ohne Reiter würden sie dann entweder zur Seite springen, um anschließend die Situation aus einem Sicherheitsabstand heraus zu beurteilen – oder sie würden schlicht und einfach davonrennen. Ob mit oder ohne Reiter: In einer solchen Situation ist ein Pferd erst einmal gestresst.
Dieser kurzzeitige Stress durch einen einzelnen Reiz wird aber schnell wieder abgebaut. Länger anhaltende Stressauslöser verursachen hingegen chronischen Stress bei Pferden. Hier ein paar Beispiele für Stressoren, die Dauerstress auslösen können:
Hier haben wir eine Liste von Pferdekrankheiten zusammengestellt, die direkt oder indirekt durch Stress ausgelöst oder verschlimmert werden können:
Ein erfahrener Tierheilpraktiker kann durch die richtige Wahl eines homöopathischen Konstitutionsmittels unter Umständen dazu beitragen, dass ein Pferd besser mit Stress umgehen kann. Aber Homöopathie kann Stress beim Pferd nicht kurieren, sondern allenfalls die Stressresistenz des Tieres verbessern. Das Wichtigste ist herauszufinden, was die jeweiligen Stressverursacher sind, und diese zu eliminieren. Das kann dir jeder gute Tierheilpraktiker bestätigen.
Wenn du die Umstände verändert hast, die bei deinem Pferd Stress verursachen, kannst du auch selbst dazu beitragen, dass sich die Stressresistenz deines Pferdes erhöht. Du findest im Handel verschiedene Kräutermischungen, die Heilpflanzen und Adaptogene wie Taigawurzel, Hopfen, Melisse, Baldrian oder Passionsblume enthalten. In richtiger Dosierung angewendet, können diese Kräuter eine positive Wirkung auf die Stressresistenz deines Pferdes entfalten.
https://flexikon.doccheck.com/de/Equine_Gastric_Ulcer_Syndrome_(Pferd) [2]
https://www.24horsebehaviors.org/ [3]
https://health.umms.org/2022/08/25/copd-stress-management/ [4]
https://ker.com/equinews/laminitic-horses-and-stress-hormone-profiles/ [5]
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehaltern Informationen über eine Pferdekrankheit, deren Symptome, die Diagnose, sowie deren Behandlung durch einen Tierarzt vermitteln. Diese Informationen sind nicht dazu geeignet, die Beratung oder die Behandlung durch einen Tierarzt zu ersetzen. Sie eignen sich nicht dazu, Pferdehaltern zu vermitteln, wie sie eigenständig medizinische Behandlungen vornehmen können.
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Maßnahmen zum Erhalt der Pferdegesundheit auf einem Blick
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