In den letzten Jahren scheinen sich Fälle von Kotwasser beim Pferd zu häufen. Immer mehr Pferdehalter suchen nach einer Möglichkeit, dieses Verdauungsproblem in den Griff zu kriegen, und die Futtermittelhersteller profitieren davon.
Bevor du dein Geld in unzählige Futterzusätze investierst, solltest du dich auf den letzten Stand der Forschungen zum Thema "Kotwasser / Fecal Water Syndrome / FWS" bringen. Wir haben die aktuellsten Publikationen recherchiert und sind auf interessante Ergebnisse gestoßen. Du wirst überrascht sein.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Beim Auftreten von Kotwasser, Einfacher: FWS, nehmen Wissenschaftler an, dass die Wasserspeicherung im Dickdarm nicht normal funktioniert. Der Dickdarm eines Pferdes besteht aus drei Abschnitten: dem Blinddarm, dem Grimmdarm und dem Mastdarm.
Der Blinddarm ist ein langes sackartiges Gebilde, das unter der rechten Hungergrube liegt. Er kann ungefähr das Doppelte des Mageninhalts (ca. 20 bis 30 Liter) fassen. Der Futterbrei bleibt hier etwa 15 bis 20 Stunden und wird in dieser Zeit von Mikroorganismen "zerlegt".
Von dort aus gelangt das Futter in den großen Grimmdarm (Colon ascendens), wo Bakterien aus dem noch nicht verdautem Futterbrei Vitamin B, Vitamin C und Vitamin K bilden und direkt ins Blut schicken. Im letzten, kleineren Teil des Grimmdarms (dem Colon descedens) wird dem Futterbrei das restliche Wasser entzogen. Auch die Pferdeäpfel werden hier geformt.
An den Grimmdarm schließt sich der Enddarm / Mastdarm an, der im Rektum endet. Hier wird geregelt, wie häufig ein Pferd äppelt (normalerweise acht bis zehn Mal pro Tag).
Im Dickdarm setzen die Tiere mithilfe ihrer Darmbakterien Pflanzenzellulose-Fasern in Fettsäuren um. Pferde sind sogenannte "Dickdarmverdauer". Über die Darmwand gelangen die Fettsäuren in den Blutkreislauf der Pferde und werden unter anderem in Blutzucker umgewandelt. Die Zellulosefasern im Darm werden auch gleichzeitig als Wasserspeicher genutzt. Sie können je nach ihrer Zusammensetzung bis zu 20 % des Körperwassers eines Pferdes speichern. Bei FWS (internationale Bezeichnung für Kotwasser) funktioniert dieses System offenbar nicht mehr hundertprozentig.
Bei FWS setzen betroffene Pferde ganz normal geformte Pferdeäpfel ab, aber anschließend läuft ihnen eine dunkle Flüssigkeit aus dem Rektum. Beim Abgasen kann diese Flüssigkeit auch mit Druck entweichen. Pferde mit Fäkalwassersyndrom sind nicht klinisch krank. Sie haben eine normale Körpertemperatur, normale Puls-/Atemwerte und bei Laboruntersuchungen weist nichts auf eine Entzündung hin. Die Symptome können nur sporadisch auftreten, in manchen Fällen sind sie aber auch chronisch.
Hier die Symptome für Kotwasser auf einen Blick:
Die spezifischen Ursachen für das Kotwassersyndrom bei Pferden sind nach wie vor ungeklärt, auch wenn in den letzten Jahren zu dem Thema einige Studien verfasst wurden.
In der Herbstausgabe 2022 eines vierteljährlich verschickten Rundschreibens des "Ontario Animal Health Network" an die dortigen Fachtierärzte für Pferde werden aber viele mögliche Ursachen für FWS ausgeschlossen. Entgegen bisheriger Vermutungen wurde nachgewiesen, dass
NICHT zu den Ursachen für Kotwasser beim Pferd zählen.
Wenn das Kotwassersyndrom bei deinem Pferd nach einer Futterumstellung auftritt, solltest du möglichst für eine Weile wieder zum gewohnten Futter zurückkehren. Gewöhne dein Pferd langsam an eine Futterumstellung, das gilt auch für das Anweiden im Frühling und das Aufstallen im Herbst. Im Darm deines Pferdes müssen sich bei einer Futterumstellung neue Mikroorganismen entwickeln, um das neue Futter optimal aufzuspalten.
Eine aktuelle Doppelblindstudie an 100 Pferden aus Deutschland, Schweden und Norwegen zeigte, dass Pferdeäpfel von Pferden mit FWS einen geringeren Wasseranteil aufweisen als die der "normalen" Kontrollgruppe. Die Studienautoren nehmen an, dass dies an der Wasserbindungsfähigkeit der verdauten Fasern liegt.
Hier die Studie:
Chemische Zusammensetzung und physikalische Eigenschaften des Kots bei Pferden mit und ohne freiem Kotwasser - BMC Vet Res. 2022 Jan 3;18(1):2. Lindroth KM, Dicksved J, Vervuert I, Müller CE.BMC https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34980103/
Eine Forschergruppe um L. Laustsen in Basel stellte in ihrer Studie fest, dass eine Transplantation der fäkalen Mikroorganismen gesunder Tiere bei etwa 50 % der Pferde mit Kotwassersyndrom nach durchschnittlich vierzehn Tagen eine zeitlich begrenzte Verbesserung der Symptome bewirkt. Die Autoren gehen davon aus, dass der Effekt durch Buttersäure (Butyrat) ausgelöst wird.
Hier die Studie:
Free Faecal Water: Analysis of Horse Faecal Microbiota and the Impact of Faecal Microbial Transplantation on Symptom Severity. Laustsen L, Edwards JE, Hermes GDA, Lœthersson N, van Doorn DA, Okrathok S, Kujawa TJ, Smidt H. Animals (Basel). 2021 Sep 23;11(10):2776 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34679798/
In der folgenden Studie wurde festgestellt, dass sich die Mikroorganismen im Darm von Pferden mit FWS nicht von denen gesunder Pferde unter denselben Haltungsbedingungen unterscheiden.
Hier die Studie:
Dysbiosis is not present in horses with fecal water syndrome when compared to controls in spring and autumn. Schoster A, Weese JS, Gerber V, Nicole Graubner C. J Vet Intern Med. 2020 Jul;34(4):1614-1621. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32588473/
Wir wissen also schon, welche Umstände nicht zu den Ursachen für FWS zählen. Es gibt aber auch eine Fallstudie aus 2016, die nachweist, dass mindestens 40 % der betroffenen Pferde in der Rangordnung ihrer Herde die Letzten oder Vorletzten waren. Also spielt Stress wohl eine wichtige Rolle bei der Entstehung von FWS.
Hier die Studie:
Kienzle, Ellen; Zehnder, Carolin; Pfister, Kurt; Gerhards, Hartmut; Sauter-Louis, Carola; Harris, Patricia (2016): Field Study on Risk Factors for Free Fecal Water in Pleasure Horses. In: Journal of Equine Veterinary Science, Vol. 44: S. 32-36
Es macht in jedem Fall Sinn, einen Tierarzt kommen zu lassen, wenn dein Pferd länger als eine Woche unter dem Kotwassersyndrom leidet.
Natürlich nicht, um eine Diagnose zu stellen: Kotwasser ist keine Krankheit.
Es ist eher ein Symptom dafür, dass der Darm deines Pferdes aufgrund verschiedener Umstände mehr Wasser enthält, als in den Pferdeäpfeln gebunden werden kann. Mit einer Fütterungsberatung bist du in jedem Fall auf der sicheren Seite.
Es existiert derzeit keine medikamentöse Behandlung bei FWS. Sie ist auch nicht nötig, weil sich die Symptome des Kotwassersyndroms zumeist durch eine Veränderung des Haltungsmanagements positiv beeinflussen lassen. Bei Gruppenhaltung sollten rangniedrige Tiere möglichst in eine ruhige Gruppe von älteren Pferden integriert werden. Bei Boxenhaltung sollte darauf geachtet werden, dass sich die Boxennachbarn sympathisch sind. Unnötiger Stress sollte vermieden werden.
Weniger ist oft mehr. Zusatzfuttermittel zur "Darmsanierung" bringen das Mikrobiom im Pferdedarm eher durcheinander, als dass sie helfen. Pferde mit FWS haben, wie nachgewiesen, eine intakte Darmflora. Sie brauchen keine "Aktiv-Hefen" oder ähnliche Wundermittel, um ihren Darm zu sanieren. Allerdings macht es Sinn, bei betroffenen Pferden darauf zu achten, dass sich im Raufutter nicht zu viele verholzte Anteile befinden. Hartes Heu oder Stroh enthält viel Lignin, das nur wenig Wasser speichern kann.
Vorsicht bei der regelmäßigen oder Kurmäßigen Anwendung von medizinischer Kohle, Heilerde und Zeolith. Diese "organischen Staubsauger" binden (adsorbieren) zwar Unmengen an eventuell schädlichen Substanzen und Mikroorganismen. Aber ganz wie ein Staubsauger unterscheiden sie nicht zwischen nützlichen und schädlichen Partikeln. Sie binden also auch Mineralstoffe und Spurenelemente an sich, wenn sie ihnen gerade über den Weg laufen. Also solltest du bei solchen Therapien die Vitamin- und Mineralstoffversorgung deines Pferdes überwachen lassen.
Jedes Pferd kann, unabhängig von Rasse, Alter und Geschlecht, plötzlich Kotwasser produzieren. Adrenalinausschüttung verlangsamt oder blockiert zeitweise die Arbeit des Verdauungssystems. Das scheint laut einer aktuellen Studie einen Einfluss auf das Kotwassersyndrom zu haben. Gönne deinem Pferd ein möglichst stressarmes, artgerechtes Leben. Füttere kein überständiges Heu mit hohem Anteil an holzigen Fasern oder etwaigem Schimmelpilzbefall. Achte darauf, dass dein Pferd ausreichend Bewegung hat, ein träges Leben verursacht einen trägen Darm.
Kotwasser beim Pferd ist kein Krankheitssymptom. Es bedeutet nur, dass der Wasserhaushalt im Darm nicht funktioniert, wie er eigentlich sollte.
Das liegt aber nicht daran, dass dein Pferd ein Problem mit den Mikroorganismen in seinem Darm hat. Es braucht keine Darmsanierung. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Ebenso ist nachgewiesen, dass Stress eine Auswirkung auf die Entstehung von Kotwasser haben kann.
Höchstwahrscheinlich ist es am sinnvollsten, den Lignin-Anteil (Anteil der Holzfasern) im Futter zu reduzieren, weil Lignin weniger Wasser speichern kann als Zellulose. Bei Boxenpferden kann die Umstellung von Stroh auf nicht fressbare Einstreu eventuell einen positiven Effekt haben.
Quellenangaben
https://epub.ub.uni-muenchen.de/46784/
OAHN-Q4-2021-Equine-veterinary-report-final-1.pdf
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32588473/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34679798/
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