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Fressbremse beim Pferd: Lösung für Dickerchen?

von
Susanne Krauzig
zuletzt aktualisiert 31.07.2024
Weißes Pony mit Fressbremse
Foto © Michelle Wendel
Inhaltsverzeichnis

Manche Pferde fressen das Gras bis zum Erdboden ab – und wenn sie dem letzten Grashalm den Garaus gemacht haben, scharren sie die Graswurzeln frei, um sie zu fressen. Es ist kaum zu glauben, aber ich habe es selbst erlebt. Zwei übergewichtige Ponys standen auf einer abgefressenen Koppel neben unserer Herde. Wir fütterten ihnen mehrmals täglich nährstoffarmes Heu. Chica erinnerte sich anscheinend daran, dass ihre Vorfahren Wildpferde waren, die unter den widrigsten Umständen überleben. Sie fing an zu graben. Notgedrungen stellten wir beide zurück in den Auslauf. Damals wusste ich noch nicht, dass eine Fressbremse beim Pferd kein Folterinstrument ist.

 

Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion

Warum wird ein Pferd zu dick?

Du kennst das bestimmt auch: Nach dem Anweiden im Frühjahr verlässt eine kleine Pferdeherde schließlich endgültig ihren Offenstall und darf jetzt ganztägig auf der Weide bleiben. Allerdings passiert es immer wieder, dass bestimmte Pferde auf der Koppel stark zunehmen – während die anderen beim selben Nahrungsangebot kein Gewicht zulegen. Das kann verschiedene Gründe haben.

Zum einen kann es daran liegen, dass diese „Dickerchen“ einer besonders leichtfuttrigen Rasse angehören, die über Jahrhunderte hinweg in einem Umfeld mit schlechten Futterbedingungen klar kommen musste. Durch natürliche Auslese überlebten in Krisensituationen immer nur die besten Futterverwerter. Deshalb bieten unsere fetten Viehweiden in Deutschland solchen Pferden zu viele Nährstoffe. Also kann eine Fressbremse bei diesen „Moppelchen“ dazu beitragen, dass sie mit ihrer Herde auf der Weide bleiben können, auch wenn das Futter dort eigentlich zu nährstoffreich für sie wäre.

Es gibt aber auch Pferde, die zu fett werden, weil sie gierig fressen. Das kann auch wieder verschiedene Ursachen haben. Es kann beispielsweise einen psychologischen Grund dafür geben, dass ein Pferd gierig frisst. Vielleicht wurde es eine Zeitlang in einem Stall gehalten, wo es nur zweimal am Tag gefüttert wurde. Durch die zu langen Intervalle ohne Futter hatte es deshalb jeden Tag Bauchschmerzen. Wenn ihm dann plötzlich unbegrenzt Futter zur Verfügung steht, frisst es natürlich, was das Zeug hält. Eine Fressbremse beim Pferd mit „anerzogener Gier“ ist eine relativ stressfreie Option zum Abnehmen.

Andererseits kann ein gieriges Pferd aber auch einen Gesundheitsdefizit haben. Im Prinzip geht es dabei um ein gestörtes Darmmilieu. Wenn bestimmte Vitamine oder Mineralstoffe nicht ausreichend durch den Darm aufgenommen werden, können diese Pferde einen ungeheuren Heißhunger entwickeln, weil ihr Organismus mit allen Mitteln versucht, dieses Defizit auszugleichen. Bevor du dich für den Einsatz einer Fressbremse bei deinem Pferd entscheidest, solltest du also von deinem Tierarzt die Blutwerte abklären lassen.

Eine weitere Ursache dafür, dass ein Pferd zu dick ist, kann eine Störung im Hormonhaushalt sein. Bei vielen Menschen mit Adipositas wurde eine sogenannte „Leptinresistenz“ diagnostiziert. Es wird vermutet, dass diese Stoffwechselstörung auch bei Pferden vorkommt. Leptin ist ein Hormon, das die Nahrungsaufnahme und das Sättigungsgefühl reguliert. Es wird im Fettgewebe produziert und signalisiert normalerweise dem Organismus, dass er keine weitere Energie benötigt. Im Falle einer Leptinresistenz kann eine Fressbremse beim Pferd angesagt sein, um die Gewichtsabnahme zu unterstützen.

 

Ist eine Fressbremse beim Pferd Tierquälerei?

Dein Pferd ist ein Vielfraß? Dann würde es auf die Frage, ob eine Fressbremse Tierquälerei ist, garantiert mit „Ja“ antworten – wenn es denn sprechen könnte. Andererseits würde es auf die Frage, ob es schon einmal von EMS, dem Cushing Syndrom oder einer Insulinresistenz beim Pferd gehört hat, ziemlich wahrscheinlich mit „Nein“ antworten – wenn es sprechen könnte.

Natürlich würden sich die meisten Moppelchen lieber den Wanst vollschlagen, bis nichts mehr reingeht, als mit einer Fressbremse weniger futtern zu können. Vielleicht ärgert sich ein so ausgebremstes Pferd auch anfangs über den Mehraufwand beim Fressen. Aber es gibt einen Trick, wie du die Fressbremse einem Pferd schmackhaft machen kannst – den verraten wir dir weiter unten.

Eine amerikanische Feldstudie an einer kleinen Ponyherde hat gezeigt, dass eine Fressbremse beim Pferd keine erhöhten Cortisol-Werte hervorruft. Das bedeutet, dass sie beim Grasen nicht mehr Stress empfinden, als ohne Fressbremse. In dieser Studie wurde sogar festgestellt, dass Fressbremsen positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem der Ponys hatten.

Weißes Pony mit Fressbremse
Fressbremse beim Pferd kann positive Auswirkungen bei Maßnahmen zur Gewichtsreduktion haben
Foto © Michelle Wendel

Wie funktioniert eine Fressbremse beim Pferd?

„Kann ein Pferd mit Fressbremse fressen?“ oder „Kann ein Pferd mit Fressbremse trinken?“ Uns erreichen immer wieder solche Anfragen. Die Antwort darauf lautet in beiden Fällen: „Ja“ – alles andere wäre wirklich Tierquälerei. Fressbremsen sind eine Art Korb, der verhindert, dass Pferde mit ihrem Maul größere Mengen an Grashalmen auf einmal einsammeln können. Je nach Höhe der Grasnarbe erreichen sie nur 30 bis 80 % des Futters, das sie normalerweise aufnehmen würden.

Je kürzer das Gras, desto einfacher ist es für ein Pferd mit Fressbremse, relativ viele Grashalme zu erwischen. Aber wer wird denn ein Pferd, das abnehmen soll, schon auf eine Weide mit kurzem Bewuchs stellen? Ob dein Pferd ausreichend Futter und Wasser aufgenommen hat, erkennst du problemlos an der sogenannten „Hungergrube“ zwischen dem Ende der kurzen Rippen und der Kruppe. Wenn sich dort keine ungewöhnliche Vertiefung zeigt, sollten deinem Pferd normalerweise genügend Wasser und Futter zur Verfügung stehen.

 

Kann die Fressbremse einem Pferd schaden?

Nachdem wissenschaftlich belegt wurde, dass eine Fressbremse beim Pferd keinen Dauerstress verursacht, ist der Einsatz eines Weidemaulkorbs also moralisch vertretbar. Wenn du unsere Tipps für die Eingewöhnungsphase berücksichtigst, dürfte es recht einfach sein, deinem „Dicken“ eine positive Einstellung zu seinem Fressregulator zu vermitteln. Allerdings sollte eine Fressbremse beim Pferd nur eingesetzt werden, wenn jemand alle drei bis vier Stunden nach ihm schauen kann.

Hochwertige Fressbremsen haben zwar eine „Sollbruchstelle“ eingebaut, um zu verhindern, dass ein Pferd sich damit „irgendwo aufhängt“. Aber Vorsicht ist gut und Kontrolle ist noch besser… Wegen der Wasseraufnahme: Eigentlich ist es selbstverständlich, dass ein Pferd mit Fressbremse nicht dazu gezwungen sein sollte, aus einer Selbsttränke zu trinken. Stell ihm lieber sauberes Wasser in einem Wasserbottich zur Verfügung, damit es bequem trinken kann. Dann ist auch die ausreichende Wasseraufnahme kein Problem.

Sachgerechter Einsatz einer Fressbremse beim Pferd

In vielen Internet-Publikationen zum Thema „Fressbremse beim Pferd“ wird befürwortet, dass die Tiere ihren Fressregulator nur stundenweise tragen sollten. In der amerikanischen Feldstudie mit der Ponyherde steht allerdings im Fazit, dass es sogar sinnvoll sein könnte, den Haltern von „Rasenmäher-Ponys“ eine Verwendung rund um die Uhr zu empfehlen. Wir sind der Ansicht, dass die Fressbremse beim Pferd nur solange eingesetzt werden sollte, wie die Möglichkeit zur regelmäßigen Überprüfung der Tiere besteht.

Private Pferdehalter können ihre persönliche Anwesenheit wahrscheinlich teilweise durch den Einsatz von Überwachungskameras ersetzen. Technik-affine Freizeitreiter finden es vielleicht sogar spannend, sich eine Drohne zur regelmäßigen Überwachung ihrer Pferde auf der Weide zuzulegen. Am besten eignet sich jedoch immer noch ein Mensch vor Ort, der die Pferdeherde beobachtet. Denn der kann direkt etwas unternehmen, falls es Probleme mit der Fressbremse geben sollte.

 

2 Pferde ohne Fressbremse beim Pferd auf grüner Wiese
Die Fressbremse beim Pferd schon vor dem Anweiden immer mal im Stall anlegen
Foto © Roman Mikhailiuk shutterstock.com

Gibt es Probleme in der Herde wegen der Fressbremse beim Pferd?

Ein Weidemaulkorb verdeckt optisch teilweise das Maul und die Nüstern eines Pferdes. Gegner von Fressbremsen bei Pferden argumentieren deshalb, dass dies zu Missverständnissen in der Kommunikation von Pferden führen könnte. Tatsache ist aber, dass in der Körpersprache beim Pferd – anders als beim Hund – die Nüstern- und Maulpartie nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Fohlen sollten allerdings niemals eine Fressbremse tragen, weil so das „Mäulchen machen“ – eine kindliche Demutsgeste – verdeckt würde. Sie nehmen zwar auch mit dem übrigen Körper eine Demutshaltung ein, aber die charakteristischste Geste dabei ist eben das „Mäulchen“. Bei rangniedrigen erwachsenen Pferden stellt sich die Frage, ob sie eventuell wegen ihres plötzlich abweichenden Aussehens gemobbt werden könnten. Beobachte also dein Pferd in der Herde, wenn es zum ersten Mal eine Fressbremse trägt.

 

Fressbremse beim Pferd: unser Tipp zur positiven Konditionierung

Wetten, dass dein Pferd begeistert angerannt kommt, sobald es seine Fressbremse sieht – wenn du unseren Trick zu seiner Gewöhnung an den Fressregulator anwendest? Das Prinzip ist völlig einfach und gerade im Frühjahr besonders leicht umzusetzen. Besorg dir einfach rechtzeitig einen „Pferde-Maulkorb“, bevor eure Herde ganztägig auf der Weide grasen darf.

Sobald es beim Anweiden ins heiß ersehnte frische Grün geht, legst du deinem Moppelchen jedes Mal schon im Stall seine Fressbremse an. Für dein Pferd wird das bald zum Ritual wie das Putzen vor dem Satteln. Es wird dadurch die Fressbremse mit leckerem Grünfutter in Verbindung bringen. Wenn du allerdings erst damit anfängst, dein Pferd auf der Weide an den Fressregulator zu gewöhnen, wird es dazu negative Assoziationen entwickeln.

 

Fazit

Eine Fressbremse beim Pferd kann positive Auswirkungen bei Maßnahmen zur Gewichtsreduktion haben. Sie kann die Aufnahme von Weidegras um 30 bis 80 % verringern. Dabei verspürt das Pferd keinen Hunger, weil sein Magen und sein Darm permanent beschäftigt sind. Laut einer amerikanischen Feldstudie ist die sachgerechte Anwendung einer Fressbremse beim Pferd nicht mit erhöhtem Stress für die Tiere verbunden. Um eine optimale Gewichtsreduktion bei Pferden zu erreichen, lohnt es sich, zusätzlich ein individuell mit dem Tierarzt abgestimmtes Trainingsprogramm auszuarbeiten.


Quellenangaben


https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0168159120301969
https://doi.org/10.1016/j.applanim.2020.105108
https://uelzener.de/magazin/pferd/ernaehrung/fressbremse-fuer-pferde/
https://madbarn.ca/grazing-muzzles-for-horses/
https://www.journalvetbehavior.com/article/S1558-7878%2815%2900158-6/abstract

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