Erstveröffentlichung am 14.03.2023 - Ungefähr im Jahr 150 v. Chr. wurde die medizinische Nutzung von Blutegeln zum ersten Mal durch Nikandros aus Kolophon in seinem Werk „Alexipharmaka“ erwähnt. Als Pferdehalter lohnt es sich, wenn du dir etwas Wissen über diese Behandlungsmethode zulegst. Die Egel können bei vielen verschiedenen Pferdekrankheiten als Therapeutikum eingesetzt werden. Blutegel gelten im deutschen Raum als „medizinisches Fertigarzneimittel“ und werden in Offline- und Online-Apotheken verkauft.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Hirudo medicinalis, auch „Medizinischer oder Gemeiner Blutegel“ genannt, ist ein sogenannter „Kieferegel“. Er hat in seinem Schlund drei Reihen von winzigen Calcit-Zähnchen, mit denen er die Haut seines Wirts einritzt. Dort sitzen auch seine Speicheldrüsen, die während dem Saugvorgang medizinisch wirksame Substanzen abgeben.
Hirudo medicinalis lebt im Süßwasser – unter anderem auch in Deutschland. Er findet seinen Wirt über hochsensible Tastorgane auf der Hautoberfläche und kann Wasserbewegungen und Temperaturveränderungen mehrere Meter weit spüren. Dann schwimmt der Wurm mit schlängelnden Bewegungen auf seine nächste Mahlzeit zu. Wenn er sich richtig vollgesaugt hat, braucht er die nächsten sechs Monate nichts mehr zu fressen. An Land bewegt sich der Egel mithilfe zweier Saugnäpfe an seinem vorderen und hinteren Körperende fort.
Hier findest du alle Pferdekrankheiten, bei denen eine Blutegel-Therapie zur Linderung der Beschwerden nützlich sein kann:
Die Speicheldrüsen von Hirudo medicinalis sondern unter anderem Substanzen ab, die antibiotisch, antimikrobiell, schmerzlindernd und gefäßerweiternd wirken. Zudem beinhaltet der Speichel Wirkstoffe gegen Thrombosen und blutverdünnende Substanzen.
Die gesundheitsfördernden Nebenwirkungen der Blutegel-Mahlzeit sind ein erfolgreiches Konzept in der Evolution der Arten. Anstelle seinem Wirt zu schaden – wie manche Bakterien oder Viren es tun – sorgt der Wurm dafür, dass ihm sein Ernährer möglichst lange erhalten bleibt.
Gefäßerweiternde Substanzen
Antithrombotische (blutverdünnende) Inhaltsstoffe
Entzündungshemmende & schmerzlindernde Substanz
Antibiotische und antimikrobielle Inhaltsstoffe
(Wirkstoff im chemisch hergestellten Breitbandantibiotikum Chloramphenicol)
Vor einer Blutegeltherapie sollte das zu behandelnde Pferd drei Tage lang weder Medikamente noch Kräuterfutter bekommen, weil Blutegel chemische und intensiv riechende Substanzen meiden. Dasselbe gilt für Pflegeprodukte und Mittel zur Insektenabwehr. Vor der Behandlung wird der Behandlungsbereich mit warmem Wasser gesäubert.
Waschlotionen oder Desinfektionslösungen dürfen nicht verwendet werden, weil die Egel nicht anbeißen, wenn die Haut nach chemischen Substanzen riecht. Zu dichtes Fell wird geschoren. Anschließend platziert der Tierarzt oder Heilpraktiker einen Blutegel in ein Laborröhrchen und setzt es auf die befeuchtete Stelle. Anstelle eines Laborröhrchens wird manchmal auch eine umgedrehte Spritze – ohne Kolben oder Nadel – verwendet. Mit etwas Glück beißt der Egel jetzt an.
Hirudo medicinalis orientiert sich bei seiner Nahrungssuche an Temperaturveränderungen in seinem Umfeld. Wärme signalisiert ihm, dass er an dieser Stelle schnell viel Blut abzapfen kann. Deshalb macht es Sinn, dein Pferd vor einer Blutegel-Therapie zu bewegen, um seine Durchblutung anzuregen. Wenn ein Egel nicht anbeißen will, kann es hilfreich sein, die gewünschte Stelle mit einer Lanzette anzustechen – so wie bei der kapillaren Blutentnahme an der Fingerspitze. Pferde spüren den kleinen Piks kaum.
Normalerweise dauert ein Saugvorgang zwischen 30 Minuten und maximal zwei Stunden, abhängig von der Durchblutung der Behandlungszone und der Größe des Wurms. Je nach Körpergröße saugt der Egel dabei fünf bis fünfzehn Milliliter Blut. Es kommt relativ selten vor, dass er nach seiner Mahlzeit nicht von selbst abfällt. In so einem Fall kann es helfen, wenn du dein Pferd etwas bewegst. Alternativ kann der Wurm auch mit warmem Wasser befeuchtet werden.
WICHTIG: Kein Salz auf ihn streuen, wie manchmal geraten wird. Bei Stress erbricht er seinen Darminhalt mitsamt dem Bakterium Aeromas veronii, das ihm hilft, seine Nahrung zu verdauen. Dadurch können beim Pferd Infektionen entstehen. Wenn unbedingt nötig, kann man den Egel manuell entfernen. Dazu schiebt der Behandler vorsichtig einen Spatel oder einen Messerrücken unter seine Maulpartie, um ihn langsam abzulösen.
Häufig reicht schon eine einzige Behandlung aus, um Symptome abklingen zu lassen oder nachhaltig zu reduzieren. Andernfalls wird die Therapie nach einer Woche bis zehn Tagen wiederholt. Bei sehr schmerzhaften Erkrankungen wie Hufrehe ist oft schon nach drei bis fünf Tagen eine erneute Behandlung üblich.
Normalerweise wird eine Blutegel Therapie am Pferd von Pferde-Physiotherapeuten, Pferde-Osteopathen, Tierheilpraktikern oder Veterinärmedizinern durchgeführt.
Unser Tipp: Schau dir erst einmal an, wie ein geübter Fachspezialist die Therapie vornimmt. Wenn du dir eine Behandlung in Eigenregie zutraust, kannst du ihn bitten, das Ansetzen eines Egels unter seiner Anleitung auszuprobieren.
Blutegel sind apothekenpflichtig – aber nicht verschreibungspflichtig.
Nach dem Abfallen der Blutegel findet eine Sickerblutung statt, die durch Inhaltsstoffe im Speichel der Egel verursacht wird.
Sie ist erwünscht: Dadurch werden etwaige Fremdkörper oder Bakterien aus der Bisswunde geschwemmt. Zudem wirkt sie als schonender Aderlass. Der Therapeut reinigt die kleine Wunde manchmal zusätzlich mit Wundalkohol und deckt sie (wenn möglich) mit einer luftdurchlässigen Gaze ab. Dieser Verband sollte nur locker anliegen, weil sich anderenfalls ein größerer Bluterguss an der Bissstelle bildet.
Eine Faustregel für Tierärzte besagt, dass bei allen Tierarten bis zu ein Wurm pro zehn Kilogramm Körpergewicht zulässig ist. Also kann man bei Pferden kaum etwas falsch machen. Die Anzahl der Egel bei einer Blutegel-Therapie am Pferd ist eher durch den Einsatzort limitiert.
Ein vollgesogener Hirudo medicinalis braucht sechs Monate lang kein Futter mehr. Danach kannst du ihn erneut zu einer Therapie einsetzen. Manche Pferde sind aber Träger von inaktiven Krankheitsauslösern. Um zu vermeiden, dass Bakterien oder Viren über einen Blutegel an andere Pferde weitergegeben werden, sollte man „wiederverwendbare Egel“ nur am selben Pferd einsetzen.
Mehrere Würmer können gemeinsam in einem Goldfischglas, Aquarium oder ähnlichem gehalten werden, wobei jedes Tier mindestens 100 Milliliter Wasser benötigt. Die optimale Wassertemperatur liegt zwischen 4° und 13° C. Regelmäßiger Wasserwechsel ist ebenso wichtig wie eine ausreichende Belüftung.
Hirudo medicinalis stirbt nachweislich in Leitungswasser, weil er bestimmte metallische Bestandteile aus den Leitungen nicht verträgt. Als Alternative bietet sich Wasser aus sauberen Bächen oder stilles Mineralwasser an.
Kleine Egel gibt es schon ab etwa 6 € im Online-Handel. Mittelgroße Tiere kosten um die 10 €. Für einen großen, ausgewachsenen Hirudo medicinalis mit bis zu 15 Zentimetern Länge solltest du etwa 15 € veranschlagen.
Leider kann man einen Hirudo medicinalis nicht einfach in einem Tümpel freilassen. Viele der Tiere stammen ursprünglich aus Übersee und könnten sich hier als invasive Art entpuppen. Tierärzte, Tierheilpraktiker, Osteopathen und Physiotherapeuten für Pferde setzen die Egel aus Hygienegründen nur ein Mal zur Blutegel-Therapie ein. Die vollgesogenen Würmer werden üblicherweise nach dem Saugakt durch Einfrieren bis auf minus 18° C, kochendes Wasser oder 70-prozentigen Alkohol abgetötet. Manche Anbieter nehmen ihre Egel auch wieder zurück.
Der „Wunderwurm“ Hirudo medicinalis ist fast schon ein Alleskönner. Er kann bei zahlreichen Pferdekrankheiten als unterstützendes oder alleiniges Heilmittel eingesetzt werden. Die positiven Eigenschaften seines Speichels können sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen deutlich wahrnehmbare Verbesserungen im Krankheitsverlauf bewirken.
Quellenangaben
https://flexikon.doccheck.com/de/Blutegel
https://europepmc.org/article/med/25115059
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