Pferdephysiotherapie | Definition & Behandlungsmethoden

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen manuellen Therapien ist Pferdephysiotherapie schon ein richtiger Klassiker. Sie wurde aus der Physiotherapie beim Menschen abgeleitet und bildet heute die Grundlage zahlreicher anderer Therapiemethoden wie Pferdeosteopathie oder Chiropraktik beim Pferd. Klassische Physiotherapie für Pferde kann dazu beitragen, dass sich Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen beim Pferd durch die angewandten Techniken und Übungen reduzieren. Bei trainingsbedingten Beschwerden oder bei chronisch-degenerativen Erkrankungen wie z.B. Arthrose können individuell angepasste Behandlungen und ein konsequent verfolgter Trainingsplan oft erstaunliche Erfolge erzielen. Für optimale Ergebnisse kommt es vor allem auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Pferdephysiotherapeut, Tierarzt, Pferdehalter und dem Hufschmied an.

Die Definition von Physiotherapie ist: „eine ganzheitliche äußerliche Anwendung von Heilmitteln, die sich an den physiologischen und anatomischen Eigenschaften eines Patienten orientiert“. Manchmal wird sie auch als „physikalische Therapie“ bezeichnet. Pferdephysiotherapie ist nichts als eine spezielle Physiotherapie für Pferde, die nach denselben Prinzipien funktioniert wie beim Menschen.

Auf Deutsch bedeutet das griechische Wort „Physiotherapia“ natürliches Heilverfahren. Physiotherapeutische Heilverfahren sind schon aus der Frühgeschichte bekannt und durch archäologische Funde belegt. Hippokrates, ein griechischer Arzt aus Kos, dessen Erkenntnisse jahrhundertelang wegweisend für fast jeden Mediziner waren, vertrat dazu die Meinung: „Nicht der Arzt heilt, sondern die Natur. Der Arzt kann nur ihr getreuer Helfer und Diener sein.“

Darum geht es auch bei der Pferdephysiotherapie. Das Ziel eines Physiotherapeuten ist immer, einen Organismus dabei zu unterstützen, seine ursprüngliche gesunde Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen. Ein Pferdephysiotherapeut ist kein Heiler. Pferde heilen sich selbst – wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen. Physiotherapeuten für Pferde helfen den Tieren einfach nur dabei, indem sie Hindernisse beseitigen, die einer Verbesserung ihrer individuellen Situation im Wege stehen.

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Wenn dein Pferd beispielsweise Distanzritte geht oder beim Dressur- oder Springreiten intensiv gefordert wird, gehört es zu den Hochleistungssportlern. Menschliche Leistungssportler haben fast immer einen Physiotherapeuten an ihrer Seite, der sie vor, nach und während ihrer Wettkämpfe betreut. Warum? Es wirkt sich einfach positiv auf ihre Performance aus.

Bei Pferden ist das nicht anders. Aber auch bei erkrankten Tieren spielt Pferdephysiotherapie eine wichtige Rolle. In vielen Fällen wird sie sogar vom Tierarzt empfohlen. Sie dient einerseits zur Rehabilitation nach chirurgischen Eingriffen, andererseits aber auch zur Linderung von Schmerzen bei Erkrankungen des Bewegungsapparats oder zur Verbesserung der Selbstwahrnehmung bei neurologischen Problemen wie Ataxien.

Pferdephysiotherapeuten verwenden Massagen, therapeutische Techniken der passiven Bewegung von Gelenken, Wärme- und Kältetherapie, Hydrotherapie sowie Dehnungsübungen. In den letzten Jahrzehnten sind zudem auch noch moderne Therapiemethoden wie Stoßwellentherapie, therapeutischer Ultraschall, Low-Level-Lasertherapie, Magnetfeldtherapie, Triggerpunkt-Behandlungen sowie Dry Needling hinzugekommen.

Hier haben wir die einzelnen Behandlungsmethoden in der Pferdephysiotherapie kurz porträtiert:

Manuelle Techniken wie Manipulation und Gelenkmobilisation

Die passive Gelenkmobilisation dient dazu, den normalen Bewegungsumfang eines Gelenks wiederherzustellen. Bei der Weichteilmobilisation sollen die Dehnbarkeit, die Reparaturfähigkeit und die Funktion der behandelten Gewebe verbessert werden. Die Manipulation ist eine Hochgeschwindigkeitstechnik, mit welcher der Pferdephysiotherapeut ein Gelenk für einen sehr kurzen Zeitraum über seinen natürlichen Bewegungsspielraum hinaus bewegt.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass manuelle Techniken positive Auswirkungen auf Muskelhypertonus (Verspannungen), Schmerzen, Flexibilität und die Bewegungssymmetrie der Wirbelsäule haben. Bei chronischen oder immer wiederkehrenden Beschwerden sind sie besonders hilfreich. Außerdem eignen sie sich hervorragend zur Rehabilitation von Pferden nach einer Operation oder einer Gelenk-Immobilisierung.

Hydrotherapie für Pferde

Normal verdienende Freizeitreiter werden wohl eher selten die Gelegenheit haben, ihrem Pferd Bewegungstherapie auf einem Wasser-Laufband oder andere Formen der Hydrotherapie spendieren zu können. Bei Sportpferden – besonders in den USA – wird diese Spielart der Pferdephysiotherapie hingegen schon länger genutzt. Sie eignet sich zu gelenkschonender Muskelaktivierung, zur Förderung der normalen Bewegungsabläufe und zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit.

Kälte- und Wärmebehandlungen in der Pferdephysiotherapie

Pferdephysiotherapeuten wenden Kältetherapie innerhalb von zwei Tagen nach einer Verletzung oder Operation an. Sie eignet sich auch als unterstützende Therapie bei Hufrehe. Durch Kälte verringert sich die Durchblutung der betroffenen Gewebe, was geringere Schwellungen und die Verringerung von Schmerzen zur Folge hat.

Wärme wird in der Pferdephysiotherapie eingesetzt, um die örtliche Durchblutung und Dehnbarkeit eines Gewebes zu erhöhen und um Muskeln zu entspannen. Wärmetherapie kann Schmerzen reduzieren und Muskelkrämpfen vorbeugen. Ein Pferdephysiotherapeut wendet Wärme erst nach dem akuten Stadium von etwa 48 Stunden an. Sie fördert das Abklingen von Schwellungen, die Wundheilung und kann Schmerzen durch Verspannungen oder Schonhaltungen reduzieren.

Massagen – Triggerpunkte – Dry Needling beim Pferd

Nicht nur Sportpferde profitieren von physiotherapeutischen Massagen. Sie tragen dazu bei, dass sich Pferde nach dem Training oder einem Wettkampf schneller erholen. Außerdem helfen sie dabei, Stress abzubauen und können Bewegungsumfang und/oder Raumgriff verbessern. Den aktuell beliebten Triggerpunktmassagen und dem Dry Needling wird nachgesagt, dass sie darüber hinaus positive Auswirkungen auf verschiedene Pferdekrankheiten haben.

ESWT – extrakorporelle Stoßwellentherapie bei Pferden

In der Pferdephysiotherapie wird ESWT hauptsächlich zur Behandlungen von Knochen- und Weichteilverletzungen eingesetzt. Dabei überträgt das Stoßwellengerät Impulse in das betroffene Gewebe, die eine Heilung fördern sollen. Laut einer Studie neueren Datums kann extrakorporelle Stoßwellentherapie aber auch bei bestimmten Fällen von Rückenschmerzen die Reizschwelle erhöhen. Das hat zur Folge, dass ein Reiz – wie beispielsweise das Reitergewicht bei Kissing Spines – nicht mehr so schnell Schmerzen auslöst wie vor der Therapie.

Therapeutischer Ultraschall in der Pferdephysiotherapie

Die Ultraschalltherapie bei Pferden bedient sich mechanischer Schwingungen: Schallwellen oberhalb unserer Hörfrequenz. Wenn das Ultraschallgerät entsprechend eingestellt ist, kann es eine Wärmeentwicklung direkt an den Knochen, Gelenken oder an anderen reflektierenden Geweben bewirken. Thermischer Ultraschall kann eine höhere Elastizität des Kollagens, die Verbesserung der Durchblutung und die Verringerung von Schmerzen und/oder Muskelkrämpfen bewirken.

Nicht-thermischer Ultraschall verursacht Mikrovibrationen, die Veränderungen in der Zellumgebung auslösen. Dadurch können Entzündungen früher abklingen und die Heilung von Traumata, Wunden oder Frakturen geht schneller vonstatten. In der Physiotherapie bei Pferden wird nicht-thermischer Ultraschall hauptsächlich bei Schädigungen von Sehnen und Gelenkkapseln, bei Nervenverletzungen und Ödemen sowie bei Knochenbrüchen und zur schnelleren Wundheilung eingesetzt.

Nicht-invasive Lasertherapie bei Pferden

Ein weiteres modernes Instrument in der Pferdephysiotherapie ist HILT (Lasertherapie mit hoher Intensität), auch Low-Level-Lasertherapie genannt. Sie wird bei Erkrankungen des Bewegungsapparats eingesetzt und soll Schmerzen reduzieren sowie Entzündungen hemmen. Noch dazu soll sie Endorphine freisetzen und so dein Pferd zufriedener und ausgeglichener machen.

Laut einer aktuellen Studie hat Lasertherapie bei einer Anzahl von Pferden mit Tendinopathien (Sehnenproblemen) und Desmopathien (degenerative Erkrankungen am knöchernen Ansatz von Bändern) messbare Erfolge gezeigt. Sie kann sogar unter Umständen Lahmheiten reduzieren. In vielen Fällen kann ein Pferdephysiotherapeut mit einer Lasertherapie auch dazu beitragen, dass sich die Lebensqualität von Pferden mit chronisch-degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats verbessert.

Magnetfeldtherapie im Rahmen einer Physiotherapie für Pferde

Damit eine Magnetfeldtherapie beim Pferd die gewünschten Erfolge zeigt, sollte sie von ausgebildeten Pferdephysiotherapeuten durchgeführt werden. Es werden zwar im Handel einige Magnetfelddecken für den Einsatz durch Pferdehalter angeboten – aber die ganze Sache hat einen Haken. Zur generellen Entspannung und zur Unterstützung des Stoffwechsels leisten diese Decken zwar einen recht guten Dienst. Aber wenn es um die Behandlung von Erkrankungen oder Verletzungen bei Pferd geht, ist doch das Know-How eines Profis angesagt.

In der Pferdephysiotherapie werden hochwertige Magnetfelddecken für medizinische Zwecke eingesetzt, die eine Vielzahl von Einstellungen für unterschiedliche Anwendungen ermöglichen. Selbst wenn du eine medizinische Magnetfelddecke selbst einstellen könntest, hättest du wahrscheinlich nicht ebenso viel Praxiserfahrung im Umgang damit wie ein Physiotherapeut für Pferde. Neben der Wahl der richtigen Frequenzen muss ja auch eine Entscheidung über Häufigkeit und Dauer der Behandlungen getroffen werden.

Mit einer Magnetfelddecke für den Hausgebrauch kannst du zwar nicht viel falsch machen. Aber wahrscheinlich erzielst du damit eher keine nennenswerten Therapieerfolge. Langfristige Erfolge in der Pferdephysiotherapie können nur mithilfe von Fachspezialisten erreicht werden. Sie besitzen Praxiserfahrungen und umfassende Kenntnisse im Bereich Anatomie und ganz speziell im Sektor Bewegungsapparat. Falls du dich entscheidest, einen Physiotherapeuten für Pferde kommen zu lassen, kannst du ihn natürlich trotzdem um die Empfehlung einer guten Magnetfelddecke für dein Pferd bitten.

Die Erstbehandlung durch einen Pferdephysiotherapeuten dauert etwa 90 Minuten und beinhaltet zuerst einmal eine ausführliche Anamnese, einen Pferdecheck im Stand und in der Bewegung, einen Sattelcheck und unter Umständen auch einen kurzen Blick auf das Gebiss des Pferdes. Danach werden Problemzonen eingegrenzt und es folgt eine Diskussion mit dem Pferdehalter über weitere Vorgehensweisen. Hinzu kommt eine manuelle Behandlung, die an den aktuellen Befunden ausgerichtet ist.

Diese aufwendige erste Behandlung kostet zwischen 100 und 150 €. Eventuell notwendige Folgebehandlungen kosten etwa 60 bis 100 €. Für den Einsatz spezieller Therapien wie beispielsweise Laser, ESWT, Magnetfeld oder Ultraschall werden häufig weitere Gebühren erhoben. Außerdem werden zumeist auch noch Anfahrtskosten in Rechnung gestellt. Es lohnt sich also, einen Sammeltermin in eurem Stall zu organisieren – falls bei euch noch mehr Pferdehalter Interesse an Pferdephysiotherapie haben.

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Quellenangaben

https://animalphysio.com.au/equine-physiotherapy/

https://doi. org/10.12982/VIS. 2022.020 Veterinär-Integrive Sciences. 2022 11. Februar(2):253-66.

https://www.physio-pedia.com/Physiotherapy_Assessment_and_Treatment_of_the_Equine_Forelimb

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26906262/doi: 10.1016/j.cveq.2015.12.006. Epub 2016 Feb 20.

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0749073915000917?via%3Dihub

https://flexikon.doccheck.com/de/Physiotherapie#:~:text=Physiotherapie%20ist%20eine%20konservative%20Form,W%C3%A4rme%2C%20Druck%20oder%20K%C3%A4lte%2…