Schmerzgesicht beim Pferd | Anzeichen erkennen lernen

Es gibt Pferde, die seit Jahren Schmerzen haben und niemandem fällt es auf. Das liegt daran, dass Fluchttiere ihre Schmerzen „verheimlichen“. Sie können es sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen. Raubtiere nehmen vorzugsweise junge und schwache Tiere aufs Korn, weil die leichter zu erlegen sind. Also beißen Pferde bei Schmerzen ihre Zähne zusammen und versuchen so zu tun, als wäre alles in Ordnung.

Verantwortungsvolle Pferdehalter lernen aber, das verkniffene Gesicht eines leidenden Pferdes zu erkennen. Hier findest du wissenschaftlich untermauerte Aussagen zum typischen Schmerzgesicht bei Pferden.

Das typische Schmerzgesicht beim Pferd zeigt sich vor allem bei akuten schmerzhaften Erkrankungen wie zum Beispiel Hufrehe oder Kolik. Bei chronischen pathologischen Zuständen drücken Pferde ihre Schmerzen nicht so intensiv durch ihre Mimik aus. Wer genauer hinschaut, kann bei chronisch erkrankten Tieren neben anderen Symptomen aber oft einen nach innen gekehrten, teilnahmslosen Blick feststellen. Dasselbe gilt für Pferde, die seit Jahren Schmerzen wegen einem unpassenden Sattel haben. Auch wenn sie sich vielleicht anfangs dagegen gewehrt haben, irgendwann geben sie auf – was du an ihrem stumpfen Blick erkennen kannst.

In den USA werden bei Gangpferderennen häufig brutale Methoden eingesetzt, um die Gänge der Pferde spektakulärer erscheinen zu lassen. Die Opfer sind zumeist Tennessee Walkers und American Saddlebreds. Deshalb gibt es seit einer Weile eine staatliche Kommission, die jederzeit auf Turnieren auftauchen und die Pferde untersuchen kann. Da es bei einem Turnier oft schwierig zu erkennen ist, ob ein Pferd eine bestimmte Reaktion aufgrund von Stress oder von Schmerzen zeigt, wurde zu dem Thema eine Studie angelegt.

In der aussagekräftigen Studie (National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine. 2021. A Review of Methods for Detecting Soreness in Horses. Washington, DC: The National Academies Press. https://doi.org/10.17226/25949.) werden unter anderem zwei effektive Methoden vorgestellt, anhand derer das Vorhandensein und/oder die Intensität von Schmerzen bei Pferden beurteilt werden können. Wir orientieren uns in diesem Beitrag hauptsächlich an dieser Quelle, haben aber auch Informationen aus den weiter unten stehenden Quellenangaben verwendet.

Noch ein Tipp aus unserem eigenen Erfahrungsschatz: Tiere unterscheiden offenbar nicht so sehr zwischen physischen und psychischen Schmerzen. Wir haben schon öfters misshandelte Pferde aufgekauft. Sie kamen mit dem typischen Schmerzgesicht von Pferden bei uns an: mit „dreieckigen“ oder halb geschlossenen Augen, „Löchern“ darüber, spitzem Kinn und zusammengekniffener, teilweise faltiger Maulspalte. Die Tiere waren aber eindeutig gesund. Nach etwa vier bis sechs Wochen wurde ihr Gesicht weicher und später sah es wieder ganz normal aus.

Wenn das Auge deines Pferdes halb oder sogar ganz geschlossen ist, obwohl es nicht friedlich vor sich hin döst, ist das wahrscheinlich ein Zeichen für ernsthafte Schmerzen. Bei plötzlich auftretenden Schmerzen können Pferde auch die Augen aufreißen, sodass du das Weiße im Augapfel siehst. Die sogenannten „Hungergruben“ über den Augen kommen zumeist weniger vom Hunger, als von den Magenschmerzen, die Pferde bei einer falschen Fütterung bekommen.

Hochgezogene „dreieckige“ Oberlider (Clowns-Augen) sehen zwar niedlich aus, können aber ebenfalls auf Schmerzen hinweisen. Allerdings gibt es diese „Clowns-Augen“ auch bei gesunden Pferden, die ängstlich, verspannt oder unsicher sind. Es ist einfach schwierig, eine exakte Linie zwischen Stress, Verspannung und Krankheit zu ziehen. Krankheit verursacht Schmerzen, Schmerzen bewirken Stress und Stress verursacht Verspannungen, die wiederum Schmerzen bewirken. Das Schmerzgesicht bei Pferden drückt Verspannungen und Schmerzen auf dieselbe Weise aus.

Die Ohren eines Pferdes sind fast immer in Bewegung. Sie scannen die Außenwelt. Wenn die Ohren deines Pferdes nicht mehr aktiv sind, ist das ein Zeichen für Desinteresse an seiner Umwelt. So etwas ist für ein Beutetier fatal, weil es dann Raubtiere viel zu spät orten kann. Ein Fluchttier muss ziemlich „fertig“ sein, wenn es sich nicht mehr um sein Überleben schert.

Steif nach hinten-seitwärts gerichtete Pferdeohren gehören zum typischen Schmerzgesicht eines Pferdes. Es interessiert sich dann mehr für das, was in ihm passiert, als für seine Umwelt. Chronisch kranke Pferde und Tiere, die sich aufgegeben haben, lassen übrigens oft die Ohren nach seitwärts-unten hängen. Beim Militär wurden früher solche Pferde als „besonders leistungsbereit“ bezeichnet...

Laut der weiter oben zitierten amerikanischen Studie gehören leicht erweiterte Nüstern, eine verlängerte Oberlippe und ein abgeflachtes Profil der gesamten Nase zum Schmerzgesicht bei Pferden. Das zeigt aber wahrscheinlich eher moderate Schmerzen an – in dieser Studie ging es um Pferde nach einer komplikationslosen Kastration in einer Pferdeklinik.

Bei richtig schlimmen Schmerzen (beispielsweise bei Hufrehe) können Pferde auch ihre Nüstern weit aufreißen, sodass sie fast viereckig wirken. Man sieht dann oft sogar die Nasenscheidewand.

Die verkniffene Maulspalte ist ein weiterer Bestandteil des Schmerzgesichts bei Pferden. Sie wirkt dadurch kürzer als sonst. Außerdem sind bei leidenden Pferden die Kaumuskeln angespannt – manche Tiere knirschen sogar mit den Zähnen. Hinzu kommt, dass die gesamte Nasenpartie in der Profilansicht flacher wirken kann, wenn ein Pferd seine Gesichtsmuskeln verspannt.

Ein Pferd, das unter einer schmerzhaften chronischen Krankheit oder unter chronischem Stress leidet, hat oft vor lauter Anspannung Falten an den Lippen, selbst wenn es noch jung ist. Bei jungen Pferden verschwinden diese Falten aber wieder, sobald es ihnen besser geht.

Während bei einem gesunden, zufriedenen Pferd das Kinn entspannt ist, ist es bei Schmerzen stark angespannt. In der Profilansicht wirkt das angespannte Kinn häufig nicht mehr rund, sondern kegelförmig und spitz. Natürlich können all diese Indikatoren für Schmerzen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Wenn du mehrere dieser Anzeichen zusammen feststellst, solltest du aber davon ausgehen, dass dein Pferd gerade unter irgendetwas leidet – selbst, wenn der eine oder andere Indikator fehlt.

Jeder Pferdebesitzer sollte dazu in der Lage sein, zu erkennen, ob sein Pferd Schmerzen leidet. Wenn du ein Schmerzgesicht beim Pferd identifizieren kannst, bist du in der Lage, kompetenter zu handeln. Im Zweifelsfall kannst du zusätzlich die ATM-Werte deines Pferdes abnehmen, um festzustellen, ob sie auffällig oberhalb der Standardwerte liegen. Wenn das der Fall ist, wird es Zeit, einen Tierarzt zu holen.

Quellenangaben

https://nap.nationalacademies.org/read/25949/chapter/5

https://bvajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1136/inp.k4781

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8234780/

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1090023318306245

https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0092281

https://uelzener.de/magazin/pferd/tiergesundheit/schmerzen-beim-pferd/