Erstveröffentlichung am 22.11.2022 - Bisher ging man davon aus, dass etwa 15 bis 20 % aller Pferde über 15 Jahren ein Cushing Syndrom entwickeln.
Mittlerweile unterstützen aber einige offizielle Stellen in den USA die Theorie, dass das Cushing Syndrom bei Pferden viel weiter verbreitet ist. Etwa die Hälfte aller Pferde über 15 Jahren soll daran erkrankt sein, ohne auffällige Symptome zu zeigen.
In jedem Fall ist die Dysfunktion eines Teils der Hirnanhangsdrüse (der Adenohypophyse) die häufigste Drüsenerkrankung bei Pferden. Hier erfährst du alles Wichtige über diese unheilbare Stoffwechselstörung.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Das Cushing Syndrom bei Pferden wird auch PPID (Pituitary pars intermedia dysfunction) genannt. Der internationale Ausdruck für diese Erkrankung bezeichnet sie sehr exakt: Dysfunktion des Mittelteils (Pars intermedia) der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse). Bei PPID wird der Körper deines Pferdes wegen einer Fehlfunktion der Hirnanhangsdrüse mit dem Stresshormon Cortisol und weiteren Hormonen überschwemmt. Der häufigste Grund dafür ist ein gutartiger Tumor (Hypophysenadenom).
Es wird angenommen, dass sich bei PPID durch genetische Disposition – aber auch durch chronischen oxidativen Stress – Schäden an den Dopamin-produzierenden Neuronen der Hirnanhangsdrüse entwickeln. Deshalb wird weniger Dopamin produziert, was die Hypophyse wiederum mit dem Wachstum zusätzlicher Neuronen auszugleichen versucht. So entsteht eine gutartige Wucherung des Gewebes (ein Hypophysenadenom).
Die Hirnanhangsdrüse ist durch diese gutartige Geschwulst in ihrer Funktion gestört. Sie bildet deshalb unter anderem verstärkt das sogenannte „adrenocorticotrope Hormon” ACTH, welches den Wasser-, Zucker- und Mineralstoffwechsel beeinflusst. Dieses ACTH erreicht die Nebennierenrinde durch den Blutkreislauf. Zusammen mit weiteren Botenstoffen und Hormonen fährt es dort die Produktion des Hormons Cortisol hoch.
Cortisol ist ein körpereigenes Glucocorticoid, das umgangssprachlich auch als „Kortison“ bezeichnet wird. Es wird normalerweise in Gefahren- und Stresssituationen ausgeschüttet und versetzt den Pferdekörper in Alarmbereitschaft. Der Blutdruck steigt an, die Verdauung stagniert, Reaktionen des Immunsystems werden aufs Abstellgleis geschoben und der Blutzuckerspiegel erhöht sich: all das, um kurzfristig lebensrettende Höchstleistungen erbringen zu können.
Pferde mit Cushing Syndrom haben also erhöhte ACTH-Werte im Blut und leiden unter den Nebenwirkungen einer endogenen (vom Organismus bewirkten) Cortisol-Überflutung. Es muss aber nicht unbedingt ein Tumor sein, der diese Stoffwechselentgleisung bewirkt. Zu häufige oder zu lange Behandlungen mit Glucocorticoiden (Kortison) können ebenso eine PPID verursachen. In letzter Zeit wird sogar übermäßiger Leistungsdruck und Stress als ein exogener (von außen einwirkender) Auslöser für PPID diskutiert.
Das auffälligste Symptom von PPID ist ein extrem langes, oft lockiges Fell (Hypertrichose). Es tritt aber nicht bei allen Pferden mit Cushing Syndrom auf. Die betroffenen Tiere zeigen im Frühjahr Probleme beim Fellwechsel und schwitzen oft übermäßig stark. Die Erkrankung kann außerdem noch weitere Symptome hervorrufen, die jedoch nicht alle auftreten müssen:
Nicht jedes Pferd mit PPID ist besonders anfällig für Hufrehe. Diese Anfälligkeit zeigt sich überwiegend bei Tieren, die vor der Entstehung des Cushing Syndroms bereits im Rahmen eines Equinen Metabolischen Syndroms (EMS) eine Insulinresistenz entwickelt haben.
Wissenschaftler aus Würzburg, München und Tokio veröffentlichten 2014 die Ergebnisse einer Studie zur Entstehung des Cushing Syndroms beim Menschen. Sie wiesen auf molekularer Ebene nach, welche Mechanismen für diese Stoffwechselerkrankung verantwortlich sind (Nature Genetics, doi:10.1038/ng.3166). Sie stellten fest, dass in den Tumorzellen von mehr als einem Drittel der Cushing-Patienten eine Genveränderung vorlag.
Durch die neu entdeckte Mutation bleibt das Gen USP8 permanent aktiv, obwohl es sich normalerweise je nach Bedarf an- oder abschaltet. Deshalb werden eigentlich nicht mehr benötigte Proteine im Zellinneren andauernd recycelt, anstelle entsorgt zu werden. Dadurch entsteht eine unkontrollierte Produktion von ACTH, das in der Nebennierenrinde in Cortisol umgewandelt wird.
Die meisten Menschen leiden unter einem exogenem (von außen erzeugtem) Cushing Syndrom, das größtenteils auf Behandlungen mit Glucocorticoiden zurückzuführen ist. Bei Pferden ist diese exogene Krankheitsursache eher selten. Man kann also mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das mutierte Gen USP8 bei wesentlich mehr als einem Drittel der erkrankten Pferde vorhanden ist. Die Hauptursache für eine PPID bei Pferden dürfte folglich höchstwahrscheinlich eine genetische Disposition sein.
PPID beim Pferd ist eine chronische, unheilbare Stoffwechselerkrankung. Unbehandelt kann sie die Lebensqualität deines Pferdes stark beeinträchtigen und seine Lebensdauer massiv verkürzen.
Glücklicherweise gibt es die Möglichkeit, das Cushing Syndrom bei Pferden medikamentös zu behandeln. Etwa 85 % aller Pferde mit PPID sprechen sehr gut auf die Behandlung an.
Wenn du befürchtest, dass dein Pferd von dieser Stoffwechselstörung betroffen sein könnte, vereinbare am besten so bald wie möglich einen Termin mit deinem Tierarzt. Die sichere Diagnose von PPID ist relativ unkompliziert: Du wirst schnell erfahren, ob dein Pferd behandelt werden muss. Je früher diese Erkrankung behandelt wird, desto weniger Symptome entstehen.
Das Equine Metabolische Syndrom (EMS) kann einige Symptome hervorrufen, die denen von PPID ähnlich sind. Häufig geht es einem Cushing Syndrom voraus.
Dein Tierarzt kann aber die beiden Stoffwechselstörungen anhand der Laborwerte problemlos auseinander halten. Beide Erkrankungen sollten in jedem Fall unbedingt behandelt werden, da sie langfristig schwerwiegende Schäden verursachen können.
Nach einer ausführlichen Anamnese wird der Tierarzt deinem Pferd Blut abnehmen. So kann er in einem Labor einen Bluttest vornehmen lassen, um seine Verdachtsdiagnose zu erhärten. Bis vor einigen Jahren war es noch üblich, dazu den Deaxamethason-Suppressionstest zu verwenden. Dieser ist aber nicht ganz risikofrei, da er unter Umständen bei Pferden mit entsprechender Disposition eine Hufrehe auslösen kann.
Mittlerweile wird stattdessen fast überall der Thyrotropin-Releasing-Hormon-Stimulationstest (TRH-Test) eingesetzt. Beim TRH-Test wird zuerst Blut abgenommen, um im Labor den ACTH-Basalspiegel zu messen. Danach erhält das Pferd eine Dosis TRH. Etwa 10 bis 30 Minuten später steigt bei Pferden mit PPID die Konzentration von ACTH im Blut deutlich an. Um später die Laborwerte vergleichen zu können, nimmt dein Tierarzt im Anschluss eine weitere Blutprobe.
PPID ist zwar nicht heilbar, kann aber medikamentös so gut behandelt werden, dass die Symptome in noch nicht allzu weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien massiv zurückgehen können. Allerdings solltest du nie vergessen, dass ein Pferd mit PPID trotzdem unter einer chronischen Stoffwechselerkrankung leidet. Deshalb solltest du vor jeder Veränderung der Fütterungs- und Haltungsbedingungen die Meinung deines Tierarztes einholen.
Pferde mit PPID sollten ihr Leben lang jeden Tag ein Medikament mit dem Wirkstoff Pergolid zusammen mit etwas Kraftfutter einnehmen. Pergolid ist ein sogenannter „Dopaminantagonist“, der den Mangel an Dopamin – dem Gegenspieler von Cortisol – bei gut eingestellter Medikation ausgleichen kann. Dadurch wird normalerweise die krankhafte Hyperaktivität im mittleren Teil der Hirnanhangsdrüse reduziert, was die Cortisol-Ausschüttung begrenzen kann.
Erfahrungsgemäß können Zusatzfuttermittel mit Samen von Mönchspfeffer die medizinische Behandlung von PPID positiv unterstützen. Sie sind aber nicht dazu geeignet, die Behandlung durch den Tierarzt zu ersetzen.
Erfahrene Homöopathen können durch die Wahl des richtigen homöopathischen Konstitutionsmittels für dein Pferd ebenfalls dazu beitragen, dass sein Organismus Selbstheilungskräfte mobilisiert. Nachdem sich das Cushing Syndrom bei Pferden aber besonders häufig aufgrund eines Gendefekts entwickelt, können sowohl Schulmedizin als auch Alternativmedizin lediglich die Symptome der Erkrankung behandeln, nicht die Ursache.
PPID ist eine Erkrankung, die hauptsächlich bei älteren Pferden diagnostiziert wird. Das Durchschnittsalter von Pferden in Deutschland mit dieser schwerwiegenden Stoffwechselstörung beläuft sich auf 18 bis 19 Jahre. Von Pferde-Endokrinologen wird angeraten, bei Pferden ab 15 Jahren jedes Jahr im Herbst den ACTH-Basalspiegel zu messen, um eine Erkrankung auszuschließen.
Gleichzeitig sollten auch die Insulinwerte überprüft werden.
Artgerechte Haltung, viel Bewegung, naturbasierte Fütterung und ausreichende soziale Kontakte reduzieren den Stresspegel für dein Pferd. Dadurch schüttet es weniger Cortisol aus. Wenn dein Tierarzt wegen Allergien, Spat, Arthrose etc. Injektionen mit Glucocorticoiden vorschlägt, bitte ihn um alternative Optionen.
Äußerlich angewendet ist Kortison recht wirkungsvoll und gleichzeitig – nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft – ungefährlich. Glucocorticoid-Injektionen stehen aber unter dem Verdacht, exogene PPID auslösen zu können.
Wenn dein Pferd sehr viel mehr trinkt als andere, ein längeres Winterfell als üblich entwickelt, Probleme beim Fellwechsel zeigt und noch dazu in letzter Zeit einen Rehe-Schub hatte, solltest du den Tierarzt rufen und die Symptome darstellen. Ein Test auf PPID ist schnell gemacht. Er kann deinem Pferd ernsthaftere Beschwerden ersparen und ihm zusätzliche Lebensjahre schenken.
Quellenangaben
https://flexikon.doccheck.com/de/Pituitary_pars_intermedia_dysfunction_(Pferd)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/2177580/
https://www.rvc.ac.uk/equine-vet/information-and-advice/fact-files/cushings-disease#panel-key-points
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