Erstveröffentlichung am 08.12.2023 - Schon im zeitigen Frühjahr geht es wieder los mit all den Blutsaugern, die unsere Pferde als fette Beute betrachten: Moskitos, Kriebelmücken, Zecken – und bald darauf auch Bremsen und Tigermücken. Schon bei 7 °C erwachen Zecken aus ihrer Winterstarre und klettern auf überständiges Gras und Unkräuter, um sich von dort auf ihre warmblütigen Opfer fallen zu lassen.
Sie befallen hauptsächlich Wildtiere, aber auch Hunde, Pferde und Menschen werden gern für eine Blutmahlzeit akzeptiert. Nun weiß fast jeder, dass Zecken Borreliose auf Pferde übertragen können. Hier erfährst du aus seriösen Quellen, wie gefährlich ein Zeckenbiss für Dein Pferd sein kann.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Borrelien – wissenschaftliche Bezeichnung „Borrelia burgdorferi“ – sind Bakterien, die bei warmblütigen Lebewesen eine systemische Infektion (den ganzen Körper betreffend) hervorrufen können. Lyme-Borreliose, umgangssprachlich einfach nur „Borreliose“ genannt, kann durch einen Zeckenbiss übertragen werden. In Deutschland sind – je nach Region – bis zu 20 % der ausgewachsenen Zecken mit Borrelien infiziert. Sie stecken sich vor allem bei Mäusen, Rehen und Hirschen an.
Die Zecken selbst erkranken nicht durch eine Borrelien-Infektion. Sie sind sogenannte „Vektoren“ und dienen dem Erreger lediglich als eine Art Reservoir. Im Darm der Zecken bleiben die Bakterien inaktiv, bis sie durch den Kontakt mit frischem Blut aktiviert werden und mit der Zellteilung anfangen. Nach 24 - 48 Stunden sind sie bis in die Speicheldrüsen der Zecke vorgedrungen und können so zusammen mit dem Speichel das Opfer des kleinen Spinnentiers infizieren.
Es sind also relativ viele Zecken mit Borrelien infiziert. Es gibt auch sehr viele Hunde und Pferde, bei denen Antikörper gegen Lyme-Borreliose gefunden werden. Laut einer serologischen Studie wurden in 16 - 30 % der untersuchten Blutproben von Pferden entsprechende Antikörper nachgewiesen. In den Blutproben von Hunden waren es 16 - 36 % und bei Menschen etwa 11 %.
Der überwiegende Teil dieser Infektionen verläuft asymptomatisch. Es ist eher selten, dass eine Borreliose beim Pferd Symptome hervorruft. Bei Wildtieren, Kühen und Schafen scheint die Infektion generell keine Symptome zu verursachen. In Fachkreisen wird vermutet, dass viele der Symptome, die einer Borreliose beim Pferd zugeschrieben werden, eigentlich eine andere Ursache haben.
Hier eine Liste der Symptome, die auf eine Borreliose bei Pferden hinweisen können:
Im Gegensatz zum Menschen zeigen Pferde nach der Ansteckung mit Borrelien nicht die typische „Wanderröte“ an der Bissstelle – oder sie ist zumindest wegen der Hautfarbe und dem darüber liegenden Fell nicht zu erkennen. Da die typischen Borreliose-Symptome auch durch andere Krankheiten verursacht werden können, ist es schwierig, ohne umfangreiche diagnostische Untersuchungen festzustellen, ob ein Pferd an Borreliose erkrankt ist oder nicht.
Falls ein Pferd positiv auf Borreliose getestet wird, heißt das nämlich noch lange nicht, dass es auch Symptome entwickelt. Bei einem Großteil der nachweislich infizierten Pferde ist das nicht der Fall. Ihr Immunsystem schafft es offensichtlich, auch bei einer asymptomatisch verlaufenden Infektion Antikörper gegen den Erreger zu entwickeln. Also ist es naheliegend anzunehmen, dass das Immunsystem der wenigen Pferde, die bei einer Ansteckung mit Borrelien offensichtlich erkranken, nicht optimal funktioniert.
Ganz wie beim Menschen sollten festsitzende Zecken bei Pferden vorsichtig abgelöst werden. Am einfachsten geht das mit einer sogenannten „Zeckenkarte“, die speziell dafür entwickelt wurde. Wenn Du so etwas nicht zur Hand hast, kannst du den Blutsauger mit einer spitzen Pinzette entfernen. Packe ihn dazu möglichst weit vorn an dem Körperteil, das laienhaft als „Kopf“ bezeichnet wird. Es handelt sich dabei eigentlich nicht um den Kopf der Zecke, sondern um ihren Saugapparat. Letztendlich ist das aber egal: Hauptsache, Du kannst den Parasiten entfernen.
Da es nach dem Zubeißen der Zecke 24 bis 48 Stunden dauert, bis eventuelle Borrelien ihren Speichel infizieren, ist entschlossenes Handeln angesagt. Riskiere lieber, dass ein Stück des Beißapparats der Zecke zurückbleibt, als dass Du unnötig zögerst. Entgegen der landläufigen Meinung infizieren sich diese kleinen Wunden nur sehr selten, obwohl das „Stückchen Zecke“ ein Fremdkörper ist. Das liegt daran, dass die kleinen Vampire sehr lange brauchen, bis sie vollgesaugt sind. Damit ihre Opfer sie während des Saugvorgangs nicht abscheuern, injizieren sie mit ihrem Speichel Inhaltsstoffe, die schmerzstillend wirken und Entzündungen vorbeugen.
Zecken, genauer gesagt der gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), können viele verschiedene Krankheitserreger auf Mensch und Tier übertragen. Dazu gehören Anaplasmen, Babesien, Borrelien und TBEV (der Auslöser der Frühsommer-Meningoencephalitis – FSME). Viele dieser Infektionen können Symptome verursachen, die denen der Borreliose ähnlich sind. Das erschwert die Zuordnung der Symptome.
In diversen Beiträgen im Internet werden beispielsweise unter „Symptome für Borreliose beim Pferd“ hohes Fieber und angelaufene Beine (Einschuss) angeführt. Diese Krankheitsanzeichen sprechen aber eher für eine Infektion mit Anaplasmen, die ansonsten gesunde Pferde normalerweise problemlos überstehen. Von FSME ist anzunehmen, dass sie höchstwahrscheinlich öfter Ataxien beim Pferd verursacht als eine Borreliose. Dein Tierarzt steht bei der Erkrankung Deines Pferdes nach einem Zeckenbiss also vor einer extrem großen Herausforderung.
Es ist sehr aufwendig, eine Borrelien-Infektion sicher abzuklären. Erfahrene Veterinärmediziner empfehlen, eine Borreliose beim Pferd nur dann zu behandeln, wenn alle anderen Ursachen für ähnliche Symptome ausgeschlossen werden konnten. Bei Gelenkentzündungen ist es unter Umständen möglich, den Borreliose-Erreger per PCR-Test in der Gelenkflüssigkeit nachzuweisen.
Bei Neuroborreliose (mit Symptomen des zentralen Nervensystems) können Borrelien eventuell in der Rückenmarkflüssigkeit nachgewiesen werden. Antikörpertests machen nur dann Sinn, wenn der Test IgG und IgM Antikörper unterscheiden kann. IgG Antikörper dienen dem Langzeitschutz vor einer bestimmten Infektion. IgM Antikörper weisen auf eine Infektion hin, die erst vor Kurzem stattgefunden hat.
Die Therapie einer akuten Borreliose beim Pferd ist erfolgversprechend, wenn auch etwas langwierig. Erkrankte Tiere sprechen normalerweise gut auf Behandlungen mit Tetracyclin, Doxycyclin, Cephalosporin oder Penicillin an. Die Therapie muss allerdings über mindestens drei Wochen hinweg durchgeführt werden. Um Resistenzen bei Erregern zu vermeiden, sollten Antibiotika-Therapien niemals vorzeitig abgebrochen werden, auch wenn die Symptome der Erkrankung nicht mehr vorhanden sind.
Falls die Borrelien-Infektion schon längere Zeit besteht – also chronisch geworden ist – sind die Prognosen vorsichtiger. Ein Pferd kann beispielsweise bereits längere Zeit mit Borrelien infiziert gewesen sein, ohne dass es offensichtliche Symptome zeigte. Falls es in diesem Zeitraum aus anderen Gründen mit Antibiotika in relativ niedriger Dosierung behandelt wurde, können die Borrelien gegen den eingesetzten Wirkstoff eine Resistenz aufgebaut haben. Da Antibiotika-Behandlungen die Darmflora und somit auch das Immunsystem schädigen, sollten sie möglichst nur in Notfällen eingesetzt werden.
Tierheilpraktiker empfehlen die Gabe von Ledum palustre Globuli nach einem Zeckenbiss. Ledum ist der homöopathische Klassiker bei Bissen und Insektenstichen. Es kann bedenkenlos prophylaktisch eingesetzt werden, um einer eventuellen Erkrankung vorzubeugen. Falls Dein Pferd gerade mit einem anderen homöopathischen Arzneimittel behandelt wird, solltest Du bei deinem Tierheilpraktiker nachfragen, ob es ratsam ist, die beiden Mittel gleichzeitig zu verwenden.
Auch bei einer akuten Borreliose kannst du das Immunsystem deines Pferdes mit Naturheilmitteln und Kräutern stärken. Löwenzahn (die ganze Pflanze) unterstützt zum Beispiel die Leberfunktion, was dazu beiträgt, dass Giftstoffe schneller abgebaut werden. Geh einfach mit deinem Pferd spazieren und lass es dort fressen, wo viel davon wächst. Wenn sein Organismus die Inhaltsstoffe des Löwenzahns brauchen kann, wird es sich geradezu darauf stürzen.
Echinacea als Futterzusatzmittel ist die klassische pflanzliche Stimulanz für das Immunsystem Deines Pferdes. Du kannst Echinacea aber auch als Globuli oder als homöopathisches Komplexpräparat (z.B. Echinacea Compositum von Heel) einsetzen. Dieses Mittel eignet sich auch hervorragend zur unterstützenden Behandlung einer schulmedizinischen Therapie mit Antibiotika. Anschliessend kann es dazu beitragen, dass sich das Immunsystem Deines Pferdes nach einer Antibiotika-Therapie wieder schneller regeneriert.
Unser Tipp: Nimm Dein Pferd öfters an die Hand und lass es auf kleinen Waldwiesen grasen. Es sucht sich dort genau die Heilpflanzen, die sein Organismus braucht.
Borrelien brauchen Zecken als Vektor, um einen Wirt zu infizieren. Aktuell gibt es in Deutschland nur ein einziges Mittel, das gegen Ektoparasiten bei Pferden zugelassen ist: die Wellcare® Emulsion vom Hersteller Intervet Deutschland. Der Wirkstoff der Emulsion ist Permethrin. Du kannst das Mittel über Deinen Tierarzt beziehen oder in der Apotheke kaufen. Außerdem gibt es seit einiger Zeit eine Impfung gegen Borreliose. Am besten, Du erkundigst Dich bei Deinem Tierarzt danach.
Viele Pferde hatten schon Kontakt mit Borrelien, ohne deshalb ernsthaft zu erkranken. Eine deutsche Studie an Ponys zeigt auf, dass ein Pferd mit starkem Immunsystem die Bakterien bekämpfen kann, ohne dabei Symptome einer Infektion zu zeigen. Vorbeugende Maßnahmen wie Insektenschutz und regelmäßiges Abmähen der Weiden reduzieren zudem die Wahrscheinlichkeit, dass Dein Pferd von einer Zecke gebissen wird.
Quellenangaben
https://www.vet.cornell.edu/animal-health-diagnostic-center/testing/protocols/lyme-multiplex-horses
https://www.ssequineclinic.com/veterinary-services/lyme-disease-diagnosis-treatment/
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