Hast du schon einmal einen Shiverer gesehen? Pferde, die von der Zitterkrankheit betroffen sind, machen beim Rückwärtsrichten eine Art spastische Bewegungen mit den Hinterbeinen. Häufig zittern dabei ihre Muskeln unkontrolliert, ähnlich wie bei Parkinson. Viele erkrankte Tiere wollen auch nicht gern ihre Hinterhufe anheben lassen. Aber ansonsten funktioniert der Körper ganz normal.
Shivering beim Pferd ist eine neuromuskuläre Erkrankung, bei der die betroffenen Tiere Schwierigkeiten mit der Ausführung erlernter Bewegungsabläufe haben. Die Symptome treten zumeist an der Hinterhand auf, können sich aber beim Fortschreiten der Krankheit auch an den Vorderbeinen und im Kopf- / Halsbereich zeigen.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
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Die Zitterkrankheit ist ein neuromuskuläres Syndrom. Der Begriff "Neuromuskuläre Erkrankung" (NMD) wird für Krankheiten verwendet, bei denen die Kommunikation zwischen Muskeln und Nerven nicht richtig funktioniert. Diese gestörte Kommunikation hat zur Folge, dass die betroffenen Muskeln in ihrer Funktion eingeschränkt sind.
Bei Shivering funktionieren die instinktiven Bewegungsabläufe, wie Schritt, Trab und Galopp, zumeist völlig problemlos. Wenn von dem erkrankten Pferd aber ein erlernter Bewegungsablauf verlangt wird, kann es diesen nur sehr schwer umsetzen. Es weiß dann zwar, was es tun soll und gibt sich auch große Mühe, die geforderte Bewegung auszuführen. Aber die entsprechende Gliedmaße spielt einfach nicht so richtig mit. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie stressig diese Situationen für erkrankte Tiere sein muss.
In den USA wird die Zitterkrankheit, dort "Shivers" genannt, zurzeit in mehreren Studien untersucht. Laut einer kürzlich erfolgten Studie treten die ersten Krankheitsanzeichen üblicherweise zwischen dem fünften und zehnten Lebensjahr auf. Bei etwa drei Vierteln der Shiverer verschlimmern sich die Symptome im Laufe der Zeit. Wallache und Hengste sind ungefähr drei Mal häufiger betroffen als Stuten. Es wird vermutet, dass dabei der höhere Östrogenspiegel der Stuten eine wesentliche Rolle spielt.
Je nach Schweregrad und Krankheitsstadium treten bei betroffenen Tieren verschiedene Symptome auf. Leitsymptom für Shivering beim Pferd ist ein unkontrolliertes Zittern beim Beugen einer Gliedmaße, es sieht in etwa so aus wie Schüttelfrost.
Normalerweise ist vor allem die Hinterhand betroffen. Beim Rückwärtstreten beugt ein Pferd mit Shivers die Hinterhand oft stärker als gewöhnlich und zittert mit der Oberschenkelmuskulatur oder auch an der gesamten Hinterhand. Manche Pferde richten dabei auch den zitternden Schweif hoch auf.
Bei der Zitterkrankheit wird zwischen zwei abnormalen Bewegungsformen unterschieden. Wenn die Gliedmaße seitlich vom Körper weg gehoben wird und dann vor dem plötzlichen Absetzen für einige Sekunden bis hin zu Minuten zitternd in einer verkrampften Position verharrt, spricht man von einer "Hyperflexion".
Wenn das Pferd stattdessen die Hufe weiter nach hinten stellt als gewöhnlich und dabei die Gelenke durchstreckt, bezeichnet man das als "Hyperextension". In einigen wenigen Fällen erstrecken sich das Zittern und die Spasmen auch auf den Kopf- / Halsbereich oder das Pferd zittert am Vorderbein.
Dein Pferd zittert am ganzen Körper? Das muss nicht unbedingt ein Anzeichen für Shivers sein. So etwas kann beispielsweise auch bei Fieber oder bei einer Unterkühlung vorkommen. Wenn das Zittern hauptsächlich beim Anheben der Hinterhufe auftritt, kannst du aber höchstwahrscheinlich davon ausgehen, dass dein Pferd ein Shiverer ist.
Hier die häufigsten Symptome für Shivering beim Pferd auf einen Blick:
Die Ursachen für Shivers sind vorläufig noch nicht hundertprozentig wissenschaftlich belegt. Eine amerikanische Studie aus 2015 ergab aber, dass bei den betroffenen Pferden ein Schaden im Kleinhirn (Cerebellum) vorliegt.
Es wird davon ausgegangen, dass für eher langsame erlernte Bewegungsabläufe ein anderer zerebellarer Schaltkreis zuständig ist als für Bewegungen, die ein Pferd schon von Geburt an beherrscht. Beim Menschen werden bestimmte ruckartige Muskelkontraktionen, wie sie auch bei Shivers vorkommen, ebenfalls mit Schäden am Kleinhirn in Verbindung gebracht.
Das Kleinhirn steuert das Muskelgedächtnis und ist für die Koordination willkürlicher Bewegungsabläufe zuständig. Wenn im Großhirn (Cerebrum) eines Pferdes der Impuls für eine Bewegung entsteht, liefert das Cerebellum wichtige Informationen für das dazu notwendige Bewegungsmuster. Versagt das Kleinhirn bei seiner Aufgabe, weiß das Pferd zwar, welche Bewegung es ausführen will, kann sie aber nur unter großen Schwierigkeiten umsetzen.
Einer Forschergruppe um Stefanie Valberg ist es nach akribischen Untersuchungen von Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven erkrankter Pferde gelungen, die Lokalisierung des geschädigten Bereichs im Kleinhirn ausfindig zu machen. Somit wurde erstmalig die Ursache für Shivering beim Pferd eingegrenzt. Diese Studie ist allerdings noch nicht veröffentlicht. Es handelt sich dabei um einen Bereich, in dem während des natürlichen Alterungsprozesses degenerative Veränderungen auftreten. Diese "Alterserscheinungen" waren bei Pferden mit Shivers bis zu 80 Mal stärker ausgeprägt als bei gleichaltrigen gesunden Pferden..
Falls du Anzeichen dafür entdeckst, dass dein Pferd vom Shivering Syndrom betroffen sein könnte, solltest du es bis zur tierärztlichen Untersuchung erst einmal nicht mehr reiten. Pferde mit Shivering können zwar meistens weiterhin geritten werden. Manche erbringen sogar noch sportliche Höchstleistungen. Aber das Zittern kann auch von anderen Krankheiten oder Gelenkschäden ausgelöst werden, bei denen das Reiten nicht angebracht ist.
Für einen medizinischen Laien ist es ziemlich schwierig, zwischen den Symptomen von Shivers und dem sogenannten "Hahnentritt" zu unterscheiden. Außerdem können auch Schäden an der Hüfte oder dem Sprunggelenk dazu führen, dass ein Pferd Probleme beim Rückwärtstreten oder beim Anheben der Hinterhufe hat. Noch dazu gibt es weitere - eher seltene - Pferdekrankheiten, die ein Tierarzt sicherheitshalber ausschließen sollte.
Die Diagnostik von Shivering beim Pferd ist nicht ganz einfach, da sich bei der Krankheit keine messbaren Werte verändern. Gerade ganz am Anfang der Erkrankung, wenn die Symptome noch nicht so ausgeprägt sind, ist die Diagnose der Zitterkrankheit eine gewisse Herausforderung. Der Tierarzt wird wahrscheinlich aufgrund der Anamnese und der beobachteten Symptome eine Verdachtsdiagnose stellen. Durch den Ausschluss anderer infrage kommender Krankheiten kann er seine Annahme untermauern.
Leider gibt es aktuell noch keine medikamentöse Therapie für Shivering bei Pferden. Bei vielen erkrankten Pferden wurde aber ein auffälliger Vitamin-E-Mangel festgestellt. Du kannst also von deinem Tierarzt untersuchen lassen, wie es mit Vitaminen und Spurenelementen bei deinem Pferd aussieht. Vitamin B, Magnesium und Mangan sind ebenfalls wichtig für eine gute Muskelfunktion.
Mach aber nicht den Fehler, deinem Pferd ohne vorhergehende Analyse irgendein Futterzusatzmittel zu geben. Eine Überversorgung mit bestimmten Mineralstoffen und Vitaminen kann schädlicher sein als ein Mangel.
Viel Bewegung trainiert das Reizleitungssystem zwischen Nerven und Muskeln. Pferde mit Zitterkrankheit sollten, wenn möglich, im Offenstall gehalten werden. Boxenruhe ist absolut unangebracht. Zahlreiche Shiverer legen sich in der Box nicht ab, weil sie Angst davor haben, in dem engen Raum nicht wieder aufstehen zu können.
Shivers verursacht anscheinend vorzeitige Alterserscheinungen im Kleinhirn. Du könntest also ausprobieren, ob das Zufüttern von Ginseng oder ähnlichen Pflanzen, die gegen vorzeitiges Altern wirken sollen, das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann.
Akupunktur, Massagen und Pferde-Physiotherapie sind bei der Zitterkrankheit in keinem Fall verkehrt, um die verspannten Muskeln zu lockern. Eine homöopathische Behandlung durch einen erfahrenen Tierheilpraktiker bietet sich ebenfalls an. In der Homöopathie werden ja nicht bestimmte Krankheiten behandelt.
Die Wahl eines passenden Mittels stützt sich auf individuelle Symptome und Modalitäten (Umstände), die bei einem Patienten zu beobachten sind. Gerade bei Shivering ist der Umstand, dass ein Pferd instinktive Bewegungen korrekt ausführen kann, aber beim Rückwärtstreten Probleme hat, ziemlich auffällig. Vielleicht findet dein Tierheilpraktiker ja ein homöopathisches Mittel, das die Symptome lindern kann.
Leider gibt es keine vorbeugenden Maßnahmen gegen das Auftreten der Zitterkrankheit. Sie ist aber zumindest teilweise genetisch bedingt: Es sind niemals Ponys, sondern hauptsächlich Kaltblutpferde oder Warmblüter mit einem Stockmaß von mehr als 170 cm betroffen.
Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist Shivering beim Pferd eine unheilbare neurodegenerative Erkrankung, die hauptsächlich großrahmige Tiere befällt. Viele der Pferde sind trotzdem noch lange Zeit reitbar. Allerdings befinden sich die erkrankten Tiere oft schon bei geringen Anlässen unter ausgeprägtem Stress. Hinzu kommt, dass sie scheinbar bewusst mitbekommen, wenn sie die Kontrolle über eine Gliedmaße verlieren.
Quellenangaben
https://ceh.vetmed.ucdavis.edu/health-topics/shivers
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24802303/
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