Von Christin Großmann - Regelmäßige Weidegänge sind ein Grundbedürfnis für Pferde und ein toller Ausgleich zur Haltung in der Box. Doch das Pferd einfach nur auf die Wiese zu stellen, kann schnell nach hinten losgehen und dem Vierbeiner sogar Schaden zufügen.
Gerade wer sein Pferd nach einem langen Stallwinter auf einer Frühjahreswiese grasen lassen möchte, sollte auf eine behutsame Umstellung achten. Wie ein Pferd richtig angeweidet wird, wann die Weidesaison beginnt und welche Folgen ein unachtsames Anweiden für das Pferd haben kann, erklären die nächsten Abschnitte.
Hinweis: Vor dem Anweiden sollte die Weide nacht giftigen Pflanze für Pferde abgesucht werden.
Als Pferde Angrasen oder Pferde Anweiden wird das langsame Heranführen des Pferdes an Gras auf frischen Frühlingsweiden bezeichnet. Denn viele Pferde kommen den Winter über nur in den Genuss von Heu und Stroh, wodurch sich ihr Magen an die Fütterung von eiweißarmem und rohfaserreichem Raufutter gewöhnt.
Für dessen Verdauung werden im Magen-Darm-Trakt bestimmte Bakterien benötigt, die sich zu denen für die Verdauung von eiweißreichem und rohfaserarmem Gras stark unterscheiden. Entsprechend langsam muss der Magen des Pferdes an das neue, saftige Futtermittel gewöhnt werden. Daher sollte das Anweiden fürs Pferd nach Plan erfolgen.
Ab wann Pferde auf die Weide kommen hängt von Region und Höhenlage der Weide ab. Das Anweiden fürs Pferd im Frühjahr beginnt nach dem letzten Frost, daher ist in manchen Regionen schon das Anweiden im März möglich. Doch auch die Länge des jeweiligen Winters entscheidet, ab wann Pferde anweiden können.
Die Weidesaison endet im Spätherbst vor dem ersten Frost. Natürlich können Pferde auch im Winter auf die Weide gestellt werden, sollten hier jedoch mit den kargen Futterbedingungen entsprechend gut zurechtkommen.
Das Anweiden für das Pferd kann nach den folgenden fünf Regeln optimal gestaltet werden.
1. Langsamer Übergang von reiner Stallhaltung zur Weidesaison
Wie lange sollte man Anweiden? Der Übergang von der Stallhaltung im Winter zur Weidesaison sollte langsam und über einen Zeitraum von mehreren Wochen erfolgen. Somit kann das Anweiden von Pferden durchaus zwei bis vier Wochen dauern.
2. Auf die richtige Fütterung achten
Während der oben genannten Übergangsphase sollten Pferde vor dem Weidegang mit sättigendem Heu gefüttert werden. So gehen sie bereits gesättigt auf die Weide und fressen weniger von dem frischen Gras.
Die Fütterung von Kraftfutter vor dem Weidegang ist nicht zu empfehlen. Dieses sollte erst nach dem Weidegang angeboten werden. Eine zusätzliche Gabe von Mineralstoffen ist auch während der Weidesaison empfehlenswert, da die ausreichende Versorgung durch unsere recht nährstoffarmen Böden meist nicht gewährleistet werden kann.
3. Pferde beim Anweiden beobachten
Auch wenn das Anweiden von Pferden langsam erfolgt, kann es in der Übergangszeit dennoch zu verschiedenen Beschwerden kommen. Manche Pferde reagieren sehr empfindlich auf den hohen Eiweißgehalt von frischem Gras. Dabei werden auch die Nieren und die Leber stark belastet, was zu Unwohlsein und angelaufen Beinen führen kann. Letzteres ist ein eindeutiges Anzeichen für einen Eiweißüberschuss im Körper, weshalb der Pferdebesitzer hier gut beobachten sollte. Auch Koliken können während der Umstellung auftreten.
4. Kurzes und frisch gemähtes Gras sowie Klee meiden
Kurzes und frisch gemähtes Gras weist einen sehr hohen Fruktangehalt auf, der bei übermäßiger Zufuhr zu einer Übersäuerung des Magen-Darm-Traktes führt. Auch Klee sollte nicht oder in nur sehr geringen Mengen auf der Weide zu finden sein. Denn durch den übermäßigen Verzehr von Klee kann es bei Pferden zu Unfruchtbarkeit und bei trächtigen Stuten sogar zu Fehlgeburten kommen.
5. Pferde vor dem Weidegang bewegen
Pferde lieben den Freigang auf der Weide und stellen nicht selten ihrem Übermut mit wilden Bocksprüngen zur Schau. Um diesem vorzubeugen, sollten Pferde vor dem Weidegang etwas bewegt werden. Hierfür eignen sich ein Ausritt oder ein kurzes Longentraining. Gleichzeitig wird dabei die Durchblutung von Sehnen und Gelenken angeregt, was das Verletzungsrisiko auf der Weide deutlich senkt.
Woche 1:
Am ersten und zweiten Tag kann das Pferd für 15 Minuten grasen. Am dritten Tag wird die Fresszeit um 15 Minuten verlängert. Am vierten Tag kann das Pferd ebenfalls eine halbe Stunde lang grasen. An Tag fünf wird diese Zeit wieder um 15 Minuten verlängert. So kann sich das Pferd langsam und stetig an die höhere Aufnahme von Gras gewöhnen. Es sollte aber beobachtet werden, dass es in dieser Zeit auch wirklich frisst. Andernfalls wird nicht genug Gras aufgenommen und der Darm kann sich nicht daran gewöhnen. Am Tag sieben wird die Fresszeit auf eine Stunde erhöht.
Woche 2:
In der zweiten Woche kann das Anweiden von Pferden sowohl Morgens als auch Abends für je eine Stunde erfolgen. Alle zwei Tage wird die Fresszeit jeweils um eine halbe Stunde verlängert. Bis zum Ende der zweiten Woche verbringt das Pferd schließlich vier Stunden je Tag auf der Weide.
Woche 3:
In der dritten Woche wird das Vorgehen der zweiten Woche wiederholt und die Weidezeit von vier Stunden pro Tag alle zwei Tage um eine halbe Stunde Morgens und Abends verlängert. Dieser Tag Pause ist wichtig für die Gewöhnung und dient gleichzeitig auch der Beobachtung. Denn so kann schnell erkannt werden, ob die längere Fresszeit negative Auswirkungen zur Folge hat.
Woche 4:
Ab Woche vier kann das Pferd ganztägig auf die Weide.
Auch wenn die Vorstellung vom Genießen der ersten Sonnenstrahlen verlockend ist, so sollte das erste Anweiden von Pferden nicht bei Sonnenschein erfolgen. Denn bei sonnigem Wetter bilden sich in den Gräsern zu viele Fruktane, die von empfindlichen Pferdemägen nur schlecht verdaut werden können.
Ein bedeckter oder gar regnerischer Tag bei milden Temperaturen ist für das Anweiden von Pferden also eher zu empfehlen. Ähnliches gilt für das Abgrasen kurz vor der Wintersaison. Denn auch Frost führt zu einer hohen Speicherung der Fruktane im Gras. Pferde sollten deshalb nach Beginn des ersten Frosts lieber keine ausgiebigen Weidegänge mehr genießen.
Auch im Sommer kann es zu einer hohen Speicherung der Fruktane im Gras kommen, welche durch längere Trockenheit ausgelöst wird. Zudem gilt für das Anweiden, dass Pferde nicht auf gemähte Wiesen gestellt werden sollten. Denn durch das Mähen wird eine Art Schutzmechanismus des Grases aktiviert, der ebenfalls zu einer hohen Speicherung von Fruktanen führt.
Da das Anweiden nicht ausschließlich an einem Tage erfolgen kann, sollte das passende Wetter für mehrere Tage anhalten. Alternativ können Pferde auch Nachts zum Anweiden auf die Weide gestellt werden, da zu dieser Zeit der Fruktangehalt in Gräsern am geringsten ist.
Erfolgt das Anweiden eines Pferdes zu schnell, kann es durch die erhöhte Fruktanaufnahme zu Durchfällen oder der Bildung von Kotwasser beim Anweiden kommen. Im schlimmsten Fall wird die Darmflora mit ihren guten Bakterien zerstört, wodurch es zur Bildung von giftigen Substanzen kommt. Diese gelangen über die durchlässige Darmwand in den Blutkreislauf und können lebensgefährliche Blutgerinnsel bilden
Zudem kann der hohe Eiweißgehalt von frischem Gras zu Beginn des Anweidens nur schlecht verdaut werden, was eine Überlastung von Nieren und Leber zur Folge hat. Koliken treten während des Anweidens von Pferden ebenfalls häufig auf. Auch die Erkrankung Hufrehe kann auftreten, ist vor allem für übergewichtige und bewegungsarme Pferde eine große Gefahr.
Ja, auch Pferde welche im Offenstall gehalten werden oder Zugang zu Winterweiden haben, müssen im Frühjahr langsam angeweidet werden. Das Anweiden von Pferden wird also nicht von den jeweiligen Haltungsformen beeinflusst, sondern hat ausschließlich mit der Umstellung von kargem Wintergras oder Raufutter auf frisches Frühlingsgras zu tun.
Auch der Wechsel einer Weide sollte immer langsam durchgeführt werden, da sich die Gräser und Pflanzen von Weide zu Weide oftmals unterscheiden.
Durchfall und Kotwasser sind häufige Folgen von unachtsamen Angrasen von Pferden. Hat ein Pferd Druchfall beim Anweiden ist die Fütterung von Heu und Stroh eine echte Hilfe. Denn die zusätzliche Gabe von rohfaserreichem Futter bringt die gestörte Darmflora wieder in Einklang. Halten die Beschwerden länger an oder es kommt zu einer Kolik, sollte das Pferd tierärztlich untersucht werden.
Das Anweiden eines Pferdes mit Fressbremse ist nichts anderes als die Verwendung eines Maulkorbs. Dieser verhindert die übermäßige Aufnahme von frischem Gras und bildet für empfindliche Pferde eine zusätzliche Sicherheit. So können sie den Weidegang für längere Zeit genießen, ohne dabei zu viel vom frischen Gras aufzunehmen. Eine Dauerlösung ist die Verwendung einer Fressbremse natürlich nicht.
Ist ein Pferd an Hufrehe erkrankt, sind Weidegänge absolut tabu! Alternativ kann das Rehepferd auf einen Paddock gestellt werden. Auch nach der erfolgreichen Behandlung sollten das Rehepferd Anweiden nur unter tierärztlicher Abstimmung erfolgen.
Statt im Frühjahr werden Rehepferde Ende Juni oder Juli angeweidet, wenn der Fruktangehalt des Grases niedriger ist. Auch hier wird mit 15 Minuten Fresszeit begonnen und langsam gesteigert. Eine unterstützende Maßnahme kann hier die Fressbremse sein.
Das Anweiden von Pferden ist ein wichtiger Bestandteil der artgerechten Pferdehaltung und sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Unter Einhaltung der fünf wichtigsten Regeln sowie einem 4-Wochenplan kann die Umstellung von Stallhaltung auf Weidegänge optimal gestaltet werden. Dabei werden auch Durchfall, Kotwasser oder gar Koliken vermieden.
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