Es sieht schon ziemlich erschreckend aus, wenn ein Pferd plötzlich mit Quaddeln übersät ist. Die meisten Reiter denken in so einer Situation an eine Allergie. Und sie liegen dabei gar nicht so falsch.
Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei den angeschwollenen Hautpartien um eine allergische Reaktion, die unter den Sammelbegriff „Nesselfieber / Nesselsucht“ (Urtikaria) fällt. Sie verschwindet üblicherweise auch ohne Behandlung innerhalb von ein paar Tagen, sobald das Pferd keinen Kontakt mehr zum Auslöser der Reaktion hat.
Allerdings gibt es auch ernsthafte Erkrankungen, die ähnliche Symptome verursachen.
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Veterinärmediziner bezeichnen mit dem Fachausdruck „Urtikaria“ einen vorübergehenden Hautausschlag, der sich in Form von Quaddeln zeigt. Der umgangssprachliche Ausdruck „Nesselfieber“ oder auch „Nesselsucht“ kommt daher, dass die Hauterscheinungen denen ähneln, die beim Kontakt mit den Haaren von Brennnesseln entstehen. Der medizinische Ausdruck „Urtikaria“ stammt aus derselben Quelle: Die Brennessel Pflanzen werden in der Botanik als „Urtica“ bezeichnet.
Nesselsucht ist eine überschießende Immunreaktion des Pferdekörpers. Dabei setzen bestimmte Zellen des Immunsystems (Basophilen und Mastzellen) immunologische Signalstoffe wie beispielsweise Histamin frei. Diese Signalstoffe verursachen dann die Entstehung der Quaddeln beim Pferd. Normalerweise gehört Nesselfieber zu den Typ-1-Allergien, die häufig als Reaktion auf Futter- und Umweltallergene auftreten. Bei Pferden mit erhöhter Allergiebereitschaft können diese Quaddeln aber auch als Reaktionen auf Stress, Medikamente, Infektionen oder körpereigene Stoffwechselprodukte auftreten.
Normalerweise zeigt sich Nesselsucht in Form von ödematösen Quaddeln am Pferdekörper. Sie fühlen sich weich an und sondern in seltenen Fällen ein bernsteinfarbenes Exsudat (Flüssigkeit) ab. Mit der Zeit können die einzelnen Quaddeln auch zu größeren Flächen verschmelzen. Üblicherweise befinden sich die Schwellungen an Hals und/oder Rumpf. Bei der sogenannten „Streifenurtikaria“ ziehen sich die Ödeme streifenförmig über den Pferdekörper.
Die meisten Pferde verspüren keinen Juckreiz bei Nesselfieber und scheuern deshalb die Quaddeln auch nicht auf. Oft verschwinden die Symptome auch ohne Behandlung innerhalb von einigen Stunden oder Tagen. Solange das Nesselfieber nicht länger als sechs Wochen andauert, sprechen die Tierärzte von einer akuten Urtikaria. Wenn die Schwellungen länger bestehen bleiben, geht es um die chronische Form der Erkrankung.
Spätestens dann solltest du einen Tierarzt holen, zumal du ein Pferd mit Quaddeln in der Sattellage ja auch nicht reiten kannst. Die mechanische Reizung durch den Sattel könnte schließlich dazu führen, dass die Quaddeln aufbrechen. Obwohl die Erkrankung als Nesselfieber bezeichnet wird, haben die betroffenen Tiere nur in den seltensten Fällen eine erhöhte Körpertemperatur. Noch seltener kommt es vor, dass die Atemwege zuschwellen. So etwas ist ein medizinischer Notfall, der sofort behandelt werden muss.
Hier die Symptome von Nesselfieber beim Pferd auf einen Blick:
Es gibt zahlreiche Auslöser, die Nesselfieber bei Pferden hervorrufen können. Dazu gehören beispielsweise Zusatzstoffe in Futtermitteln, das Fressen bestimmter Pflanzen und Schimmelsporen im Heu oder in der Einstreu. Wenn Landwirte in der Nähe einer Weide ihre Obstbäume mit Pestiziden gespritzt oder Unkrautvernichter ausgebracht haben, kann das bei manchen Pferden ebenso eine allergische Reaktion provozieren.
Dasselbe gilt für bestimmte Lösungsmittel in Farben oder Inhaltsstoffe von Waschmitteln. Auch in Produkten wie Fellglanzspray, Mitteln zur Abwehr von Insekten oder Pferdeshampoo können Allergieauslöser versteckt sein. Und schließlich gibt es noch Pferde, die unter einer Sonderform der Nesselsucht leiden: die cholinerge Urtikaria. Die betroffenen Tiere entwickeln diese Hauterscheinungen bei Stresssituationen wie Stallwechsel, Pferdetransporten oder Turnieren.
Wenn dein Pferd diese Quaddeln zum ersten Mal zeigt und es sich ansonsten verhält wie üblich, kannst du erst einmal zwei, drei Tage abwarten, ob die Hauterscheinungen nicht von selbst verschwinden. Stelle aber sicher, dass es kein Fieber oder etwa Schmerzen hat. Achte darauf, ob es einen guten Appetit zeigt und ob es regelmäßig äppelt und normal gefärbten Urin absetzt. Vor allem aber solltest du seine Atemwerte kontrollieren. In Ruhe sind acht bis sechzehn Atemzüge pro Minute Standard. Falls dein Pferd deutlich schneller atmet oder die Nüstern bläht, muss der Tierarzt es behandeln.
Es gibt eine sehr gefährliche Verwechslungsmöglichkeit bei plötzlich auftretenden Quaddeln. Thaumetopoein, das Nesselgift aus den Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners, verursacht bei Pferden Schwellungen und Rötungen der Haut sowie unter Umständen Atemnot. Eine einzige Raupe besitzt etwa 600.000 ultra-feine Härchen, die leicht abbrechen können.
Der Wind kann sie über weite Strecken hinweg transportieren. So können sie beispielsweise in die Einstreu oder ins Heu geraten. Wenn es in eurer Gegend Eichprozessionsspinner gibt, solltest du beim Verdacht auf Nesselfieber lieber den Tierarzt kommen lassen. Der Kontakt mit den Brennhaaren der Raupe kann lebensbedrohend sein.
Ein Tierarzt kann recht sicher unterscheiden, ob dein Pferd Nesselfieber hat oder eine Hautreaktion auf den Kontakt mit dem Nesselgift des Eichenprozessionsspinners zeigt. Allerdings wird es ihm schwerfallen, sofort die Ursache für eine Nesselsucht herauszufinden. Dazu sind Allergietests notwendig, die sich über Monate hinziehen können. Er wird dich natürlich zu eventuell vorher aufgetretenen Allergien befragen und bestimmt will er auch wissen, ob sich in letzter Zeit irgendetwas im Leben deines Pferdes verändert hat. Aber er kann dir nur bestätigen, dass dein Pferd Nesselfieber hat und notfalls schwere Symptome für einen kurzen Zeitraum medikamentös behandeln.
Wenn die Quaddeln bei deinem Pferd nässen – also Exsudate produzieren – wird dein Tierarzt sorgfältig abwägen, ob deshalb der Einsatz von Kortikosteroiden (Kortison) wie Dexamethason-Natriumphosphat gerechtfertigt ist. Wenn dein Pferd ein Rehekandidat ist, sollten kortisonhaltige Präparate nur lokal (nicht per Futter oder per Injektion) angewandt werden. Der Zusammenhang zwischen der Verabreichung von Kortikosteroiden und einer eventuellen Hufrehe ist mittlerweile durch zahlreiche Erfahrungsberichte dokumentiert. Falls dein Pferd aber Atemnot zeigt, ist der Einsatz von Kortison in jedem Fall gerechtfertigt.
In einigen Blogs rund um die Pferdegesundheit werden die Globuli Urtica urens (aus Brennessel hergestellt) zur homöopathischen Behandlung des Nesselfiebers empfohlen. Andere empfehlen in solchen Fällen auch Rhus toxicodendron (Giftsumach). In der Homöopathie geht man davon aus, dass ein Symptom mit hochgradig verdünnten Substanzen geheilt werden kann, die unverdünnt ÄHNLICHE Symptome verursachen. Also fast wie bei einer Immunisierung.
Aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet ist es eigentlich nicht sinnvoll, Urtica Urens zur Behandlung von Nesselfieber beim Pferd einzusetzen. Homöopathen behandeln beispielsweise Bienenstiche nicht mit verdünntem Bienengift, sondern zumeist mit Ledum – einem Mittel das ähnliche Symptome, aber nicht die gleichen wie ein Bienenstich verursacht. Um sicher zu gehen, dass die homöopathische Behandlung deines Pferdes gute Erfolgsaussichten hat, solltest du die Bestimmung der passenden Globuli lieber einem homöopathisch geschulten Tierheilpraktiker überlassen.
Du kannst aber trotzdem etwas selbst ausprobieren, um die Quaddeln bei deinem Pferd schneller loszuwerden. Heilerde-, Ton- oder Lehmpackungen entziehen den Schwellungen beim Trocknen einiges an Wasser und können dazu beitragen, dass der Körper deines Pferdes die angestaute Lymphflüssigkeit schneller abbaut. Zeolith in Pulverform – das günstige für den ökologischen Landbau, nicht das teure zur innerlichen Anwendung – lässt sich ebenfalls zu einem Brei anrühren. Der Mineralstoff wirkt abschwellend und adsorbiert zugleich auch noch Giftstoffe.
Allerdings bröselt Zeolith beim Trocknen schnell ab. Deshalb ist eine Mischung aus feuchtem Lehm und gemahlenem Zeolith ein optimaler Kompromiss. Um die betroffenen Bereiche zu kühlen, eignet sich eine Mischung aus Apfelessig und Wasser im Verhältnis 1:3. Wenn dein Pferd eine allergische Konstitution hat, kann auch eine Eigenbluttherapie erfolgreich sein. Viele Tiere mit Autoimmunerkrankungen (z.B. Pferde mit Sommerekzem) sprechen sehr gut auf eine Eigenblutbehandlung an.
Falls du den Allergieauslöser nicht kennst, ist es schwierig, einer Urtikaria vorzubeugen. Beobachte dein Pferd noch genauer als bisher: Vielleicht kannst du dann einen Zusammenhang mit den äußeren Umständen und dem Auftreten der Quaddeln herstellen. Vergiss dabei aber nicht, dass auch Stress ein Trigger für Nesselsucht sein kann. Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass das Gehirn wesentlich stärker mit dem Immunsystem verbunden ist, als bisher angenommen.
Halte und füttere dein Pferd artgerecht – dadurch vermeidest du schon mal Faktoren, die massiven Stress auslösen können. Wenn du dann auch noch darauf achtest, dass dein Sensibelchen nicht mit künstlichen Aromastoffen und Konservierungsstoffen, Hautreizenden Inhaltsstoffen von Pflegeprodukten, giftigen Dämpfen oder Weichspülern & Co in Kontakt kommt, kannst du viele potenzielle Allergieauslöser eliminieren.
Nesselfieber beim Pferd sieht zumeist schlimmer aus, als es ist. Wenn es in eurer Region keine Eichenprozessionsspinner gibt, kannst du zwei oder drei Tage abwarten, bis du den Tierarzt anrufst. Oft verschwinden die Quaddeln dann in der Zwischenzeit ganz von selbst. Falls dein Pferd aber Fieber oder Atemwegsbeschwerden hat, gilt Alarmstufe Rot. Lieber den Tierarzt ein Mal zu viel als ein Mal zu wenig anrufen!!
Quellenangaben
https://uelzener.de/magazin/pferd/tiergesundheit/eichenprozessionsspinner-pferd/
https://www.vetlexicon.com/treat/equis/diseases/urticaria-angiedema
https://www.msdvetmanual.com/horse-owners/skin-disorders-of-horses/hives-urticaria-in-horses
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7424928/
https://vcahospitals.com/know-your-pet/urticaria-or-hives-in-horses
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