Immer wieder steht das Reiten in der Kritik. Oft handelt es sich bei den Kritikern um Menschen mit geringem oder gar keinem Sachverstand. Neid spielt ebenso eine Rolle wie die Dogmen einer Ideologie. Deren Anhänger bekämpfen den Speziesismus und sind generell dagegen, Tiere in irgendeiner Form zu nutzen. Es gibt jedoch auch tatsächlich Sportler, die ein Pferd so reiten, dass es Schaden nimmt. Die Rollkur beim Pferd und das Barren sind selbst in Fachkreisen ein strittiges Thema.
Beim Dressurreiten gehen die Pferde durch das Genick. Das sieht nicht nur schön aus, sondern dient auch der Gesunderhaltung. Wenn du klassisch Reiten gelernt hast, bist du dazu in der Lage, dein Pferd zu versammeln. Dein Pferd tritt mit der Hinterhand unter, der leicht aufgewölbte Rücken schwingt bei jeder Bewegung mit und trägt dein Gewicht leichter. Bei der Rollkur ist das Pferd nicht in der optimalen Position. Anstelle des Genicks bildet der Widerrist den höchsten Punkt.
Bei der Rollkur am Pferd handelt es sich um ein Extrem. Es kommt zu einer Überbeugung des Halses oder des Genicks. Die massive Überdehnung ist so stark ausgeprägt, dass das Pferd mit dem Maul oft die Brust berührt. Der Reiter führt die auch als Hyperflexion beim Pferd bezeichnete Rollkur mit hohem Kraftaufwand durch. Die Rollkur beim Pferd hat nichts mit einer korrekten Versammlung zu tun. Viele Laien verwechseln das Reiten durch das Genick fälschlicherweise mit der Rollkur am Pferd.
Die Rollkur am Pferd findet häufig beim Aufwärmen auf dem Abreiteplatz statt und zwischendurch im Training. Ziel ist eine bessere Beweglichkeit und Durchlässigkeit. Angeblich dient die Rollkur beim Pferd der Gymnastizierung des Rückens. Die Rollkur bei Pferden gibt es im Spring- und Dressursport. Diese ist vom LDR beim Pferd abzugrenzen. LDR heißt „Low, Deep, Round“ und bezeichnet eine insbesondere in den Niederlanden verbreitete Reitweise. Die extreme Dehnung erfolgt zeitlich begrenzt und mit weniger Kraftaufwand und Zwang.
Pferde so zu reiten, dass sie am Zügel gehen, hat, wie bereits erwähnt, nichts mit einer Rollkur zu tun. Was wie eine Rollkur beim Pferd aussieht, basiert oft auf anderen Ursachen. Nicht immer erhält das Pferd eine Rollkur, wenn es zu eng geht. Barockpferde mit hoch aufgesetztem Hals neigen dazu, sich selbst einzurollen. Häufig sind es auch nur Momentaufnahmen zwischen zwei Lektionen, die einen falschen Eindruck vermitteln, beispielsweise bei zu starkem Durchparieren.
Ein bekannter Verfechter der Rollkur beim Pferd ist der niederländische Dressurreiter Edward Gal. Er ritt den KWPN-Hengst Totilas, der mehrere Welt- und Europameistertitel gewann und von 2009 bis 2011 die Weltrangliste anführte. Der als Wunderpferd bezeichnete Rappe beendete 15-jährig seine Sportkarriere, ging in die Zucht und starb im Alter von 20 Jahren nach einer Kolik-OP. Kritische Stimmen sagen, dass Totilas Tierquälerei widerfuhr. Der Grund ist, dass für Totilas die Rollkur zum allgemeinen Trainingsprogramm gehörte.
Die Tierrechtsorganisation PETA wertete das Training von Totilas als Tierquälerei und stellte 2012 Strafanzeige gegen den damaligen Reiter Matthias Rath und die beiden Eigentümer Paul Schockemöhle und Ann Kathrin Linsenhoff. Als vermeintlicher Beweis dienten mehrere Gutachten und Videos. Das Aachener Amtsgericht wies die Klage ab, weil es zu keinem Verstoß gegen die geltenden Standards kam. Trainer Klaus-Martin Rath verwies auf Untersuchungen, die zeigen, dass die Rollkur beim Pferd bis zu einem gewissen Maß nicht schädlich ist.
Die Rollkur am Pferd erzeugt eine extrem enge und erzwungene Position des Halses. Ein Pferd so zu reiten, erfordert eine massive Gebiss- und Zügeleinwirkung. Das Tier gerät hinter die Bewegung. Infolgedessen rollt es sich ein. Neben der Überdehnung besteht die Gefahr einer Genickquetschung. Die Hyperflexion kann Schmerzen verursachen. Häufig in der Rollkur gerittene Pferde leiden oft an Rückenproblemen, Muskelverspannungen und Maulverletzungen. In manchen Fällen kommt es zu einer Blockierung der Hinterhand.
Dass die Rollkur für Pferde unangenehm ist, zeigen die Reaktionen. Nicht selten reißen die Pferde die Augen und das Maul auf. Sie stehen sichtbar unter Stress und befinden sich in einer offensichtlich hilflosen Lage. Durch den permanenten Zwang kann die Rollkur beim Pferd Stress verursachen. Dass psychische Auffälligkeiten wie Koppen und Weben damit zusammenhängen, ist jedoch nicht erwiesen. Die Intensität und Dauer spielen eine wesentliche Rolle dabei, inwieweit die Rollkur dem Pferd schadet.
Die Kritik an der Rollkur beim Pferd führte dazu, dass sich die internationale Reitervereinigung (FEI) und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) näher mit der Thematik befassten und die Anschuldigungen sehr ernst nahmen. Es kam zur Einführung der LDR-Regel, sodass es nur noch erlaubt war, die Pferde zehn Minuten lang in dieser Haltung zu reiten. Inzwischen hat die FEI diese Regelung wieder aufgehoben. LDR Reiten ist auch auf internationalen Turnieren uneingeschränkt möglich. Dennoch sehen FEI und FN die Rollkur am Pferd sehr kritisch.
Die FEI und der FN verweisen auf das Ideal der klassischen Reitlehre. Demnach bringt der Reiter das Pferd gewaltfrei in die Anlehnung, sodass es sich selbst trägt. Das zwanghafte Drängen in die Halswölbung ist unerwünscht. Gemäß den Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gilt die Hyperflexion des Halses und Genicks als tierschutzwidrig. Allerdings handelt es sich hierbei nur um Leitlinien und nicht um gesetzliche Vorgaben. Generell entscheidet immer der Einzelfall.
Früher gehörte das Barren beim Springreiten zu den gängigen Trainingsmethoden. Beim aktiven Barren schlägt ein Trainer dem Pferd beim Sprung mit einer Latte oder Ähnlichem gegen die Beine oder hebt die oberste Hindernisstange an. Das Herabwerfen der Stange verknüpft das Tier mit einer negativen Erfahrung. Um die Schmerzen zukünftig zu vermeiden, zieht das Pferd die Beine mehr an und springt höher. Beim passiven Barren befindet sich auf, vor oder hinter dem Hindernis eine zusätzliche Stange.
Ob das Barren beim Pferd Tierquälerei ist, ist strittig. In erster Linie spielt auch hier die Art der Ausführung eine Rolle. Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem fachgerechten Touchieren und brutalem Schlagen. Während es zum Barren unterschiedliche Meinungen gibt, ist das Blistern im Reitsport Tierquälerei. Beim Blistern sind die Röhrbeine mit einer chemischen Substanz eingerieben, die beim Berühren des Hindernisses Schmerz erzeugt. Oft ist Capsaicin, ein scharfes Alkaloid der Chilischote, im Einsatz.
Das Barren vom Pferd bezweckt, dass das Tier die Beine über dem Sprung stärker annimmt und so ein Berühren und Herabfallen der Stange verhindert. Im Springsport ist es wichtig, den Parcours schnell und fehlerfrei zu absolvieren. Abgeworfene Hindernisstangen verursachen einen Punktabzug. Im Profisport ist das fatal, denn hier geht es nicht nur um Ruhm und Ehre, sondern auch um viel Geld. Das Barren gestaltet das Springtraining effektiver und der Reiter erreicht sein Ziel schneller.
Pferde so zu barren, dass sie keinen Schaden nehmen, erfordert viel Sachverstand und ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein. Ob diese Methode geeignet ist, hängt vom jeweiligen Pferd, der Sprunghöhe und dem Trainingszustand ab. Nur erfahrene Trainer sind dazu in der Lage, die Stange im richtigen Moment anzuheben, ohne das Pferd zu verschrecken oder ihm Schmerz zuzufügen. Unvorsichtige und robuste Pferde, die noch reichlich Reserven nach oben besitzen, können mit dieser Methode mehr Leistung bringen.
Barren bei Pferden ist unfair, weil es aus der Deckung heraus passiert. Oft besitzen die Trainer nicht die nötige Erfahrung, um das Barren schmerz- und schreckfrei auszuführen. Wichtig ist vor allem die korrekte Einschätzung des Pferdes. Befindet sich das Tier bereits am Leistungslimit und zeigt es sich am Sprung ohnehin schon vorsichtig, dann schadet das Barren dem Pferd erheblich. Es ist körperlich nicht dazu in der Lage, höher zu springen und erfährt nur unnötig Druck.
Vom Barren abzugrenzen ist das Touchieren mit der Gerte oder einem dünnen Stab. Hierbei berührt der Trainer die Beine leicht, um das Pferd so zu sensibilisieren, dass es höher springt. Die Grenzen zwischen Touchieren und Barren sind jedoch fließend und Gegenstand zahlreicher Debatten. Nach langem Hin und Her sprach sich der FN auch für ein Verbot des Touchierens aus, weil dieses fehleranfällig ist und schon kleine Abweichungen dem Pferd schaden können.
Das Barren bei Pferden und das Touchieren waren früher allgemein üblich. Um beim Reiten Tierquälerei zu vermeiden, ist seit 2024 beides gemäß der Leistungsprüfungsordnung der FN verboten. Zum einen führte der gesellschaftliche Druck dazu, zum anderen fügt das Barren dem Pferd bei nicht sachkundiger Ausführung Schmerzen zu. Die nationalen und internationalen Reitsportverbände verbieten das Barren von Pferden während des Trainings und beim Turnier. Das heißt jedoch nicht, dass das Barren allgemein unter Strafe steht.
Das Barren von Pferden führt zum Turnierausschluss. Selbst wenn das Barren ansonsten gesetzlich erlaubt ist, bringt das den Beteiligten nichts mehr, denn im Fokus steht der Turniererfolg. Der Fernsehsender RTL zeigte ein Video, auf dem ein Trainer im Stall von Springreiter Ludger Beerbaum ein Pferd mit einer Stange touchierte. PETA erstattete daraufhin Anzeige. Im September 2022 stellte die Staatsanwaltschaft Münster das Verfahren ein, weil es keinen Nachweis gab, dass das Pferd beim Barren erhebliche Schmerzen erlitt.
Es ist normal, dass sich Pferde beim Reiten anstrengen, schwitzen und Leistung bringen. Die Tiere wachsen an der Herausforderung und die Bewegung hält sie gesund. Tierquälerei beim Reiten beginnt dort, wo das Pferd starke Schmerzen leidet und permanentem Stress ausgesetzt ist. Tierquälerei durch Reiten verursacht oft langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen, sei es durch Überforderung, schlecht sitzende Sättel, den nicht fachgerechten Einsatz scharfer Gebisse oder eine Reitweise, die dem Tier Schaden zufügt.
Ob Reiten Tierquälerei ist, hängt oft weniger vom Training, sondern vielmehr von den Haltungsbedingungen ab. Ein streng gerittenes Pferd, das viel Zeit auf der Koppel verbringt, ist oft glücklicher als ein Tier, das 23 Stunden in der Box steht, um dann unter einem zarten Reiter ein paar Runden Schritt zu gehen. Gerte und Sporen sind richtig dosiert legitime Hilfsmittel. Wer Pferde reiten will, braucht Durchsetzungsvermögen. Tierquälerei beginnt mit dem Überschreiten von Grenzen.
Die Rollkur beim Pferd und das Barren beim Springreiten bringen dem Tier selbst keinen Nutzen, sondern dienen nur der Leistungssteigerung. Beim Freizeitreiten spielt beides keine Rolle, denn das Wohlergehen des Pferdes ist hier wichtiger als Schleifen und Pokale. Die negativen Auswirkungen des Barrens und der Rollkur beim Pferd zeigen sich oft erst bei dauerhafter und unsachgemäßer Durchführung. Wo die Tierquälerei beim Reiten beginnt, unterliegt der subjektiven Betrachtung. Bei der Rollkur am Pferd entscheidet vor Gericht der Einzelfall.
Tierrechtler nutzen Momentaufnahmen für ihre Stimmungsmache und stellen oft allgemein das Reiten infrage. Diskussionen über die Rollkur am Pferd bringen unnötig Unruhe in die Reiterszene. In der Reiterei gibt es nun einmal unterschiedliche Disziplinen und Ansichten. Es macht mehr Sinn, es selbst besser zu machen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Finde einen Weg, dein Pferd so zu reiten, dass es fair ist. Die Rollkur gehört ebenso wenig dazu wie das Barren.
Quellenangaben
https://dressur-studien.de/rollkur-und-co-aus-wissenschaftlicher-sicht/
https://www.mein-pferd.de/pferdehaltung/rechtliches/recht-ist-die-rollkur-tierschutzwidrig/
https://www.agrarheute.com/land-leben/peta-tierrechtler-verurteilen-reiten-tierquaelerei-592420
https://www.cavallo.de/reitsportszene/fn-stellt-disziplinar-verfahren-ein/
https://www.anwalt.de/rechtstipps/barren-rollkur-und-co-eine-rechtliche-betrachtung-201133.html
https://www.deutschlandfunk.de/reitsport-trainingsmethode-touchieren-wird-verboten-100.html
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