Von Sandra Hoffmann, Erstveröffentlichung am 17.09.2024 - Das Therapeutische Reiten, auch Reittherapie genannt, umfasst als Oberbegriff verschiedene Bereiche, wie die Hippotherapie (= Physiotherapie auf dem Pferd), das Heilpädagogische Reiten (Reitpädagogik) und die ergotherapeutische Begleitung mit dem Pferd.
Als unterstützende Methode bei körperlichen, seelischen und geistigen Beeinträchtigungen erfreut es sich einer immer größer werdenden Beliebtheit, da der intensive Kontakt zum Pferd oft als heilsam empfunden wird und die Bewegungen des Pferdes einen positiven Einfluss auf den Menschen haben können. Insbesondere für therapiemüde chronisch kranke oder durch Stress im Alltag belastete Menschen ist der Ausflug zum Reiterhof und in die Natur eine wohltuende Abwechslung. Bei Kindern können die großen sanften Tiere mit ihrer non-verbalen Kommunikation und Fähigkeit zur Spiegelung der Gefühle des Menschen unter anderem eine fördernde Wirkung in Bezug auf Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit haben. Die Ganzheitlichkeit beim Therapeutischen Reiten ist das Besondere.
Diese besondere Möglichkeit seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun und eventuell vorhandene Beeinträchtigungen abzumildern, hat allerdings auch seinen Preis. Dieser setzt sich nicht nur durch die tatsächlich durchgeführte Einheit und den Betriebskosten zusammen, sondern beinhaltet auch die Vergütung für die Zeit, die eine qualifizierte Fachkraft noch außerhalb des Klienten Kontakts hat, wie die Vor- und Nachbereitung der Stunde inkl. Planung und Dokumentation sowie das Training der Therapiepferde.
Die Kosten für das Therapeutische Reiten sind zwar bundesweit regional unterschiedlich, aber in der Regel gibt es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Bereichen des Therapeutischen Reitens. Die Kosten für die Hippotherapie und die Kosten für das Heilpädagogische Reiten werden z.B. zumeist ähnlich abgerechnet. Im Durchschnitt liegen die Reittherapie-Preise pro Stunde bei ca. 85,- Euro. Eventuell kommen, je nach Anbieter, noch Kosten für Vorgespräche und Verlaufsberichterstellung hinzu.
Aufgrund der hohen Kosten für das Therapeutische Reiten ist es sinnvoll sich über Möglichkeiten der Kostenübernahme, z.B. durch die Krankenkasse, zu informieren. Je nach Indikation für das Therapeutische Reiten gibt es unterschiedliche Anlaufstellen, um eine Kostenübernahme für das Therapeutische Reiten anzufragen. Eine Garantie für eine Erstattung der Reittherapiekosten gibt es allerdings leider nicht.
„Auch wenn hohe Preise vielleicht zunächst abschrecken: Eine qualitativ hochwertige Reittherapie-Ausbildung, der im Regelfall eine „Basis-Berufsausbildung“ und/oder ein Studium vorhergeht sowie die Unterbringung und Gesunderhaltung der Therapiepferde ist sehr teuer. Ein vergleichsweise sehr günstiges Angebot sollte man deshalb bezüglich dieser Gesichtspunkte hinterfragen."
Die Reittherapie, egal welche Fachrichtung, ist (noch) nicht als Heilmethode anerkannt und deshalb nicht wie die Physio- oder Psychotherapie vom Arzt auf Rezept zu bekommen, welches die Krankenkasse mit Sicherheit übernimmt. Ein Arzt kann aber, wie für die Osteopathie, ein Privatrezept ausstellen, das man der Krankenkasse zusammen mit der Rechnung für eine Rückerstattung vorlegt. Sinn macht eine Anfrage bei der eigenen Krankenkasse im Voraus, bevor man sich fest für die Reittherapie anmeldet, denn diese entscheidet über die Übernahme der Kosten für die Reittherapie im jeweiligen Einzelfall.
Eine Ausnahme bildet die Ergotherapie. Ein Ergotherapeut mit entsprechender Zusatzausbildung, der das Pferd in seine ergotherapeutische Arbeit einbindet, kann dies eventuell über die Ergotherapie-Verordnung vom Arzt abrechnen. Auch hier ist eine Anfrage, ob der ins Auge gefasste Anbieter mit der Krankenkasse abrechnen darf, im Voraus sinnvoll, denn die Ergotherapeuten unterliegen bestimmten Auflagen dafür.
Für pflegebedürftige Menschen ist die Pflegekasse ein möglicher Kostenträger. Die Kostenübernahme für das Therapeutische Reiten über die Pflegekasse ist auch hier im Einzelfall nach §45b SGB XII möglich, sofern ein entsprechendes Pflegegutachten vorliegt. Eine Reittherapie wird dabei als sogenanntes niedrigschwelliges Betreuungsangebot bzw. als qualitätssichernde Betreuungsleistung verstanden. Auch hier ist die Anfrage im Voraus zu empfehlen, ob für den persönlichen Einzelfall ein positiver Bescheid zu erwarten ist.
Betreuende von Pflegekindern und/oder Eltern mit Kindern, für die ein besonderer Förderbedarf ärztlich festgestellt wurde, können sich an das Jugendamt wenden und die Kostenerstattung für das Therapeutische Reiten im Rahmen der Hilfen zur Erziehung gem. §27 SGB VIII anfragen.
Außerdem sind sowohl die Jugend- als auch die Sozialämter zuständig für die Eingliederungshilfen für Menschen, die eine Behinderung haben oder von ihr bedroht sind (ehem. Wiedereingliederungshilfe). Seit 2020 ist dies in den Sozialgesetzbüchern IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) und VIII (Kinder- und Jugendhilfe) geregelt. Auch hier entscheidet das Amt im Einzelfall, aber eine Anfrage der Kostenübernahme für die Reittherapie über die Eingliederungshilfen ist möglich.
Beim persönlichen Betreuer bei der Agentur für Arbeit bzw. dem Jobcenter kann man anfragen, ob das Therapeutische Reiten als Wiedereingliederungsmaßnahme für Arbeitslose zur Verringerung oder Beseitigung von sogenannten Vermittlungshemmnissen angesehen wird und die Kosten dafür erstattet werden.
Eine weitere Möglichkeit ist die Anfrage bei einer Stiftung oder einem Förderverein, die manchmal die Kosten für eine Reittherapie durch Spendengelder übernehmen.
„Eine gute Anlaufstelle für Eltern ist auch ein Sozialpädagogisches Zentrum. Von diesen ambulanten und interdisziplinär arbeitenden medizinischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche gibt es bundesweit über 160. Dort kann man sich über Förder- und Kostenübernahmemöglichkeiten individuell beraten lassen.“
Die Kosten für das Therapeutische Reiten müssen in der Regel zunächst in Vorleistung direkt an den Anbieter bezahlt werden. Mit der Rechnung und ggf. weiterer Dokumente kann sich im Anschluss an die Kostenträger zwecks einer Rückerstattung gewandt werden. Wie oben beschrieben, ist eine Anfrage zur Kostenübernahme für das Therapeutische Reiten im Voraus zu empfehlen.
Die Anträge müssen in der Regel mindestens diese Dokumente enthalten:
- ein ärztliches Gutachten bzw. Verordnung
- Grund und Ziel der Reittherapie
- eine schriftliche therapeutische/pädagogische Stellungnahme
- ggf. Verlaufsberichte des Reittherapeuten/-pädagogen
Nur auf Antrag lässt sich also in Einzelfällen eine Kostenrückerstattung durch die Kranken- und Pflegekasse, sowie das Jugend- oder Sozialamt erzielen. Da die Reittherapie noch nicht als Heilmethode anerkannt ist und es keinen gesetzlichen Anspruch gibt, handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Kostenträger (auch Leistungsträger genannt) und jeder Einzelfall wird gesondert betrachtet und entschieden. Je ausführlicher der Grund, die Zielsetzung und die schon erreichten bzw. die erwarteten Erfolge dargestellt werden, desto größer ist die Aussicht auf eine positive Resonanz (aber keine Garantie). Sicherlich ist jeder Reittherapie-Anbieter gerne behilflich, einen entsprechenden Bericht zu erstellen.
Therapeutisches Reiten fördert die Gesundheit bei Menschen mit geistiger und körperlicher Beeinträchtigung auf eine spaßbringende Weise.