Iliosakralgelenk beim Pferd - Übungen zum Lösen von Blockaden

Fast jeder Reiter weiß, dass die Hinterhand der „Motor“ des Pferdes ist. Aber hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie die Kraft dieses Motors nach vorne übertragen wird? Wenn Pferde anstelle von Beinen Räder hätten, wären sie Fahrzeuge mit Hinterradantrieb. Die Kraftübertragung von hinten nach vorne findet bei Pferden über die Iliosakralgelenke statt. Sie sind die Schaltzentrale für einen natürlichen Bewegungsablauf. Wer die Muskeln der Hinterhand durch gezielte Übungen kräftigt, verringert das Risiko einer Erkrankung des ISG beim Pferd. Allerdings können bestimmte Übungen für Pferde mit Schmerzen im Bereich des Iliosakralgelenks kontraproduktiv sein.

Menschen, Pferde und andere Säugetiere haben an der Basis ihrer Rückenwirbelsäule rechts und links zwei Gelenke, die eine wichtige Rolle bei der Verbindung des Beckens mit der Wirbelsäule spielen. Sie liegen zwischen Kreuzbein (Os ilium) und Darmbein (Os sacrum). Die Gelenke zwischen Kreuzbein und Darmbein werden bei Pferden und anderen Säugetieren „Iliosakralgelenk“ (Articulatio sacroiliaca) oder auch „Kreuzdarmbeingelenk“ genannt.

Sie sind einfacher aufgebaut als andere Gelenke – wie beispielsweise das Sprung- oder das Fesselgelenk. Die ISG beim Pferd sind relativ unflexibel. Das müssen sie auch sein, weil sie dem Pferderücken Halt und Stabilität verleihen, wenn dieser belastet wird. Das dreieckige Kreuzbein ist bei Pferden üblicherweise aus fünf miteinander verschmolzenen Wirbeln gebildet und bildet die Fortsetzung der Wirbelsäule. Auch das Darmbein hat durch sein flügelartiges Darmbeinblatt eine fast dreieckige Struktur. Es ist der auffälligste Beckenknochen an der Hinterhand.

Zusammen mit Schambein und Sitzbein bildet das Darmbein die knöcherne Struktur des Beckens und bietet viele solide Ansatzpunkte für die umliegende Muskulatur. Gesunde Iliosakralgelenke von ausgewachsenen Pferden mit gut ausgebildeter Kruppenmuskulatur kompensieren problemlos auch stärkere Belastungen wie Springen (in vernünftigem Rahmen), intensive Dressurarbeit oder Barrel-Racing, wenn das Training nicht übertrieben wird. Allerdings dauert es sehr lange, bis die letzten Strukturen der ISG beim Pferd verknöchern.

WICHTIGER HINWEIS: Das Kreuzbein verfestigt sich bei Jungpferden erst im fünften oder sechsten Lebensjahr.

Die Ausbildung von Pferden, deren Kreuzbein noch nicht ausreichend verknöchert ist, sollte sehr schonend in Angriff genommen werden. Wenn sie zu früh schwere Lasten tragen, Seitengänge gehen oder springen müssen, besteht die Gefahr, dass die Gelenke „ausleiern“. Zu viel Mobilität der Iliosakralgelenke kann Schäden an den Iliosakralbändern verursachen, welche die Gelenke stützen. Außerdem kann eine erhöhte Flexibilität der ISG bei Pferden Schmerzen verursachen, weil sich in diesem Fall die beiden Knochen (Kreuzbein und Darmbein) gegeneinander bewegen.

Zu starre Iliosakralgelenke haben dagegen zumeist verkrampfte Muskeln als Ursache. Ein rigides ISG beim Pferd entwickelt sich oft aufgrund einer Schonhaltung wegen weiter „hufwärts“ gelegenen Schädigungen einer Gliedmaße. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Die Kruppenmuskulatur bildet sich zurück, wodurch das entsprechende ISG des Pferdes noch stärker belastet wird. Außer diesen beiden Ursachen für Blockaden des Iliosakralgelenks beim Pferd kommen natürlich auch noch Traumata als akute Auslöser infrage.

Die Diagnose einer Beeinträchtigung der ISG beim Pferd gestaltet sich äußerst schwierig, weil die Gelenke so tief in der Kruppe eingebettet sind, dass es unmöglich ist, davon qualitativ hochwertige Röntgenaufnahmen zu erstellen. Die sie umgebenden Muskelmassen etc. verhindern eine gut erkennbare röntgenologische Darstellung der eventuell betroffenen Bereiche. Bei einseitigen Beschwerden – oft erkennbar durch einseitige Atrophie (Muskelschwund) an der Kruppe – wird dein Tierarzt wahrscheinlich zuerst diagnostische Anästhesien (Regionalanästhesien, Nervenblockaden) vornehmen. Damit kann er eventuelle Lahmheitsursachen an den unteren Gliedmaßen ausschließen oder eingrenzen.

Allerdings kann ein Tierarzt nicht „einfach so“ eine Nervenblockade am ISG eines Pferdes vornehmen, um sicher zu stellen, dass die Schmerzen von dort ausgehen. Der große Ischiasnerv verläuft nämlich am hinteren Rand des Gelenks. Falls dieser unabsichtlich auch betäubt wird, kann das Tier das entsprechende Hinterbein nicht mehr belasten. Der Veterinär kann dann nicht mehr das Gangbild des Pferdes beurteilen, um festzustellen, ob es wirklich Iliosakralschmerzen hat. Deshalb werden Injektionen von Lokalanästhetika in das Iliosakralgelenk beim Pferd zumeist in Pferdekliniken unter gleichzeitiger Verwendung von Ultraschall durchgeführt.

Mit einer – zumeist rektalen – Ultraschalluntersuchung können übrigens auch die Gelenkkapsel und die umliegenden Bänder des Iliosakralgelenks gut dargestellt werden. Die Interpretation von Ultraschall-Bildern des ISG beim Pferd verlangt jedoch einige einschlägige Erfahrung. Das aussagestärkste bildgebende Verfahren bei der Diagnose einer eventuellen Iliosakralerkrankung ist die Nuklearszintigraphie (Knochenszintigraphie). Allerdings gibt es kaum einen Fachtierarzt für Pferde, der die nötige Ausrüstung für dieses Untersuchungsverfahren hat. Wer sich für dieses Diagnoseverfahren entscheidet, wird höchstwahrscheinlich sein Pferd in eine Klinik bringen müssen.

Die Therapie von Problemen im Bereich der ISG bei Pferden sollte unbedingt auf den speziellen Befund des einzelnen Tieres zugeschnitten sein. Auch veterinärmedizinischen Laien dürfte es klar sein, dass man Schmerzen aufgrund zu lockerer Bänder am Iliosakralgelenk nicht ebenso behandeln kann wie eine Versteifung oder eine Iliosakralgelenk-Blockade. Da zu jeder Therapie von ISG Problemen beim Pferd unweigerlich ein Trainig zum Muskelaufbau gehört, sollten Tierarzt, Osteopath und Pferdephysiotherapeut eng miteinander kooperieren.

WICHTIG: In Eigenregie durchgeführte Übungen für das Iliosakralgelenk beim Pferd – ohne vorherige fachliche Beratung – können unter Umständen mehr schaden als nützen.

Übungen zur Kräftigung der Kruppenmuskulatur gesunder Tiere

Eine gut ausgebildete Muskulatur an Rücken und Kruppe verhindert zumeist, dass die ISG bei Pferden zu stark belastet werden. Bestimmte „Gebäudefehler“ können dazu beitragen, dass ein Pferd seine Iliosakralgelenke übermäßig beansprucht. Zu den Faktoren, die eine ISG-Problematik begünstigen können, gehören zum Beispiel eine ziemlich flache Kruppe, ein relativ „gerades“ Sprunggelenk, ein überbauter oder extrem langer Rücken und ein Ungleichgewicht zwischen Brust- und Kruppenmuskulatur.

Solche Pferde solltest du nach einer Aufwärmphase von mindestens 20 Minuten auf weiten gebogenen Linien arbeiten, um ihre Flexibilität unter dem Reiter zu stärken. Fließende Übergänge zwischen Schritt und Trab stärken dabei die Kruppenmuskulatur. Mit der Zeit kannst du dich auch an das Schulterherein herantasten – aber nur, wenn du es selbst schon wirklich beherrschst. Hat sich dein Pferd durch die weiten Biegungen gelockert, kannst du von ihm einige niedrige Sprünge verlangen, die sein Koordinationsvermögen verbessern.

Nach einem Cool-Down wäre es dann optimal, noch einen kleinen Ausritt mit einer großen Steigung in Angriff zu nehmen: Bergauf reitest du im Schritt und verlagerst dein Gewicht nach vorne (nicht antraben oder angaloppieren lassen!), bergab geht ihr gemütlich gemeinsam spazieren. Dadurch wird zuerst die Kruppenmuskulatur deines Pferdes stark gefordert, kann sich dann aber beim Führen entspannen, bevor im Stall wieder relative Unbeweglichkeit angesagt ist. Wer keine Steigungen in der Nähe seines Stalls hat, kann stattdessen von seinem Pferd im Gelände einen starken Mitteltrab fordern, um „zur Belohnung“ anschließend abzusitzen und dieselbe Strecke zu führen.

Übungen für Pferde mit ISG Problemen

Wenn dein Pferd Schmerzen im Iliosakralgelenk hat, solltest du in jedem Fall nur Übungen durchführen, die dir von Fachleuten persönlich empfohlen wurden. Pauschale Tipps aus dem Internet wie die Arbeit über Cavalettis, Dehnungsübungen und Lektionen wie Rückwärtsrichten oder Schulterherein mögen für einige ISG-Pferde gut sein. Bei anderen können sie aber unter Umständen die Beschwerden einer Iliosakralgelenk-Blockade verschlimmern.

UNSER TIPP: Finde zuerst die Ursache für die Schmerzen im ISG deines Pferdes heraus, bevor du dich in ziellosen Aktivismus stürzt.

Quellenangaben

https://www.clydevetgroup.co.uk/post/sacroiliac-disease-in-the-horse

https://www.newmarketequinehospital.com/horse-blogs/sacroiliac-disease-in-the-horse#:~:text=Riders%20frequently%20report%20that%20the,lower%2Dgrade%2…

https://www.msdvetmanual.com/musculoskeletal-system/lameness-in-horses/sacroiliac-joint-abnormalities-in-horses

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36244940/

https://beva.onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/eve.13057

https://flexikon.doccheck.com/de/Iliosakralgelenk_(Veterin%C3%A4rmedizin)

https://www.st-georg.de/wissen/die-kruppe-des-pferdes-problemstelle-kreuzdarmbeingelenk/