Erstveröffentlichung am 09.11.2022 - Ein Ausbruch von Herpesviren in seinem Stall ist wohl das furchterregendste Horrorszenario für jeden Pferdehalter. Wer einmal Fotos von gelähmten Pferden in Hängegeschirren gesehen hat, wird die Bilder kaum mehr vergessen.
Das Equine Herpesvirus vom Typ EHV 1 ist in Europa endemisch, was bedeutet, dass es regelmäßig zu Ausbrüchen kommt. Dabei spielt eine große Rolle, dass 60 bis 90 % aller Pferde in Europa das Virus latent (inaktiv) in sich tragen. Leider gibt es zur Zeit noch keine Impfungen, die einen effektiven Infektionsschutz gegen Herpes beim Pferd bieten. Hier erfährst Du alles Wichtige zum Thema "Pferdeherpes".
Redaktionelle Mitarbeit: Nelly Sophie Lönker, Medizinredaktion
Diese Seite soll Pferdehalterinnen und Pferdehaltern lediglich Informationen über Krankheiten und Symptome beim Pferd vermitteln. Die Informationen dürfen weder die Beratung oder Behandlung durch einen Tierarzt ersetzen noch dazu verwendet werden, eigenständig medizinische Behandlungen vorzunehmen. Sie dienen nicht zur Selbstdiagnose und/oder Selbstbehandlung und ersetzt keinesfalls die Diagnose durch einen Tierarzt.
Equine Herpesviren erzeugen bei befallenen Pferden eine lebenslange latente Infektion. Der Erreger versteckt sich nach einer überstandenen Erkrankung besonders häufig an der Teilungsstelle des Trigeminusnervs oder im Lymphgefäßsystem. Je nach Virustyp manifestieren sich die Infektionen mit Herpes bei Pferden auf verschiedene Weise.
Equines Herpesvirus 1 oder EHV 1 gehört zu den Varicelloviren. Es überträgt sich hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion und kann eine Erkrankung der oberen Atemwege (Rhinopneumonitis), Virusabort bei Stuten oder EHM (Equine Herpesvirus-Myeoloencephalopathie) verursachen. EHM ist der dramatische Verlauf einer Infektion mit EHV 1, bei dem sich das Rückenmark entzündet und Lähmungserscheinungen auftreten. Wenn volkstümlich von "Herpes beim Pferd" gesprochen wird, ist damit zumeist die Infektion mit dem Equinen Herpesvirus 1 gemeint.
Equines Herpesvirus 2 oder EHV 2 gehört zu den Percaviren. Es kann Infektionen der oberen Atemwege und/oder Bindehaut- und Hornhautentzündungen (Keratokonjunktivitis) verursachen. Oft verlaufen Infektionen mit dem Equinen Herpesvirus 2 auch völlig symptomlos.
Equines Herpesvirus 3 oder EHV 3 gehört zu den Varicelloviren. Es überträgt sich beim Deckakt und kann einen gutartigen Bläschenausschlag an den Genitalien verursachen. Infizierte Pferde tragen EHV 3 ein Leben lang in sich und dürfen deshalb nicht mehr zur Zucht eingesetzt werden.
Equines Herpesvirus 4 oder EHV 4 gehört zu den Varicelloviren und wird auch Rhinopneumonitis-Virus genannt. Es verbreitet sich per Tröpfcheninfektion und kann ebenso eine Infektion der oberen Atemwege auslösen wie EHV 1. Im Gegensatz zu diesem kann es aber keinen Abort bei trächtigen Stuten auslösen.
Equines Herpesvirus 5 oder EHV 5 gehört wie EHV 2 zu den Percaviren. Ganz wie dieses kann es Bindehaut- und Hornhautentzündungen (Keratokonjunktivitis) und/oder Infektionen der oberen Atemwege auslösen.
Herpes beim Pferd ist zwar hochinfektiös, Menschen können sich aber nicht mit dem Virus anstecken. Außer bei Pferden tritt der Euine Herpesvirus auch bei Eseln und Maultieren auf. Obwohl EHV 1 Epidemieartig auftritt, wird es in Deutschland nicht als meldepflichtige Tierseuche geführt.
Zwischen der Ansteckung und dem ersten Auftreten von Symptomen liegt üblicherweise eine Inkubationszeit von vier bis sechs Tagen. Im Frühstadium der Infektion zeigt sich zumeist ein 24 bis 48 Stunden lang andauerndes Fieber, das mit Appetitlosigkeit und Mattigkeit einhergeht.
Manche Pferde entwickeln keine weiteren Symptome nach einer Infektion mit EHV 1. Bei zahlreichen anderen Tieren, vor allem bei Fohlen und Jährlingen, kommen Atemwegssymptome wie Husten und Nasenausfluss hinzu.
Infizierte tragende Stuten verfohlen in der Regel im letzten Drittel ihrer Trächtigkeit. Beim Virusabort kann sich die Inkubationszeit um mehrere Wochen bis Monate verlängern. Dem plötzlichen Abort gehen zumeist keine Krankheitsanzeichen voraus. Eventuell lebendig geborene Fohlen sterben schnell, da sie sich schon im Mutterleib infiziert haben. Zudem soll das Virus die Gebärmutterschleimhäute angreifen, sodass die Nährstoffversorgung des Fötus nicht mehr ausreichend sichergestellt werden kann.
Die neurologische Form von Herpes beim Pferd (EHM) kündigt sich häufig durch einen zweiten Fieberschub einige Tage nach dem ersten an. Es wird angenommen, dass EHV 1 Blutgefäße im Zentralen Nervensystem schädigt, sodass sich Schlaganfall-Ähnliche Ausfälle verschiedener Körperfunktionen zeigen. Zumeist geht es dabei um Koordinationsstörungen der Hinterhand, mangelnde Muskelspannung im Schweif, Inkontinenz und/oder Entleerungsstörungen von Darm und/oder Blase. Schlimmstenfalls kommt es zum Festliegen.
Da ein Großteil der europäischen Pferde ohnehin das inaktive Virus in sich trägt, ist der Kontakt mit potenziellen Überträgern kaum zu vermeiden.
Stress und/oder ein geschwächtes Immunsystem können dazu führen, dass latente Viren wieder aktiviert werden und die Pferde so zu Überträgern werden. Leider ist Herpes beim Pferd im Latenzstadium nicht nachweisbar. Je höher die Viruslast im Stall, desto wahrscheinlicher wird die Ansteckung anderer Pferde.
Herpes beim Pferd wird häufig nicht gleich erkannt, da die ersten Symptome recht unauffällig sind. Falls aber mehrere Pferde im Stall in etwa zeitgleich Atemwegsbeschwerden und Fieber zeigen, sollte der Tierarzt unbedingt eine Infektion durch das Equine Herpesvirus 1 ausschließen.
Besteht der Verdacht auf eine EHV-1-Infektion, muss das betreffende Pferd zwingend isoliert werden. Bei seinen Stallgenossen sollte zwei Mal am Tag Fieber gemessen werden, um etwaige Infektionen frühzeitig zu erkennen. Bei Kontakt mit infizierten Tieren sollten Schutzkleidung, Einweghandschuhe und Gummistiefel getragen werden.
Bei Atemwegssymptomen im Herbst oder Winter denkt fast jeder zuerst einmal an eine Erkältung. Fieber, Husten und Nasenausfluss können jedoch auch Anzeichen für eine EHV-1-Infektion sein. Deshalb solltest Du im Zweifelsfall den Tierarzt lieber ein Mal zu viel als ein Mal zu wenig kommen lassen. Er kann relativ schnell herausfinden, ob Dein Pferd mit Equinem Herpesvirus infiziert ist.
Eine Verdachtsdiagnose von Herpes beim Pferd wird durch Laboruntersuchungen bestätigt. Mittels PCR-Tests lässt sich das Virus relativ sicher nachweisen. Wahrscheinlich wird Dein Tierarzt nach der Äußerlichen Untersuchung Deines Pferdes erst einmal Tupferproben für einen PCR-Test abnehmen. Anschließend braucht er noch Blut für einen Bluttest zur Titerbestimmung. Dabei wird die Konzentration von spezifischen Antikörpern im Blut gemessen. Mit der zweiten Untersuchung kann er die Ergebnisse des PCR-Tests untermauern.
Bisher gibt es noch keine wirksamen Medikamente gegen Herpes beim Pferd. Tierärzte können lediglich die auftretenden Symptome behandeln. Dazu verwenden sie häufig Entzündungshemmer (NSAIDs, DMSO und Cortison), welche jedoch die Funktion der Immunzellen und des Darms beeinträchtigen können.
Öfters werden auch Virostatika eingesetzt, um das Equine Herpesvirus bei seiner Vermehrung zu hemmen. Für die Wirkung von Virostatika wie Aciclovir bei EHV 1 gibt es allerdings keine evidenzbasierten Beweise.
2016 veröffentlichten Forscher der Universität Zürich eine Fallstudie in der veterinärmedizinischen Fachzeitschrift "Tierärztliche Praxis". Sie hatten bei 30 von 61 an EHV erkrankten Pferden den Wirkstoff "Heparin" eingesetzt, der eine erstaunlich gute Wirkung bei der Vorbeugung gegen die neurologische Form von EHV 1 zeigte. Jetzt sollen größer angelegte Feldstudien diese Ergebnisse untermauern. Heparin ist ein körpereigener Vielfachzucker, der die Blutgerinnung hemmen und Viren am Eintritt in die Zellen hindern kann.
Bei Turnierpferden sind Impfungen gegen das Equine Herpesvirus vorgeschrieben. Die Impfungen verhindern zwar nicht den Ausbruch einer Herpesinfektion, sollen jedoch die auftretenden Symptome bei infizierten Pferden abmildern können. Zudem verringert sich die ausgeschiedene Virusmenge um bis zu 90 %, was den Infektionsdruck in den betroffenen Ställen massiv herabsetzt.
Eine Impfung gegen das Equine Herpesvirus wirkt nur nach vorangegangener Grundimmunisierung und muss alle sechs Monate wiederholt werden. Allerdings werden die Impfungen kontrovers diskutiert. Sie sollen bei infizierten Pferden ohne Anzeichen von EHV bereits mehrmals dazu geführt haben, dass sich bei diesen nach der Impfung die neurologische Form von EHV 1 entwickelte. Zu kurze Impfintervalle sollen scheinbar denselben Effekt haben können. Aktuell werden in Deutschland hauptsächlich folgende Impfstoffe gegen Herpes beim Pferd eingesetzt:
Sollte in eurem Stall EHV 1 ausbrechen, macht es Sinn, die Immunabwehr Deines Pferdes durch eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Spurenelementen zu unterstützen. Vitamin E wird nachgesagt, dass es Entzündungen im Nervengewebe hemmen kann. Gaben von Vitamin B können zusätzlich die Funktion der Nerven unterstützen. Von Carotinoiden heißt es, dass sie die Aktivität der T-Zellen steigern können. Außerdem solltest Du auf eine ausreichende Versorgung mit Zink achten, weil dieses Spurenelement das Immunsystem stärken kann.
Echinacea-Präparate sollen eine vergleichbare Wirkung auf das Immunsystem haben wie das immunstimulierende Medikament "Zylexis". Außerdem sollen Kurkuma, Knoblauch und Ginseng entzündungshemmende Eigenschaften besitzen.
Im Anfangsstadium der Krankheit können die homöopathischen Mittel Gelsemium und Belladonna in der Potenz D12 oder C30 dazu beitragen, dass der Organismus Deines Pferdes das Virus besser bekämpfen kann. Du hast also viele Möglichkeiten, Dein Pferd ganzheitlich zu unterstützen.
Eine klassische Vorbeugungsmaßnahme gegen den schweren Verlauf einer Infektion mit EHV 1 ist die Impfung. Sie sollte möglichst zeitgleich bei allen Pferden im selben Stall vorgenommen werden. Zudem kannst Du dafür sorgen, dass Dein Pferd nicht unnötigem Stress ausgesetzt wird. Psychischer oder körperlicher Stress können Auslöser für eine Reaktivierung "schlafender" Herpesviren sein.
In unserem FAQ zur Herpesimpfung bei Pferden findest du höchstwahrscheinlich die richtige Antwort auf deine Fragen zur Impfprophylaxe gegen equine Herpesviren. Falls du noch andere Fragen zu dieser Impfung hast, kannst du sie gerne in unserer Kommentarfunktion weiter unten stellen. Unsere Medizin-Redaktion antwortet dir garantiert
FAQ Herpesimpfung beim Pferd:
Wie lange Pause nach Herpesimpfung beim Pferd?
Eine richtige Pause vom Trainingsalltag benötigt ein Pferd nach der Impfung gegen Herpes nicht unbedingt. Allerdings solltest du zwei bis drei Tage lang alles etwas ruhiger angehen lassen. Neben leichter Arbeit kannst du deinem Pferd nach einer Herpesimpfung auch den gewohnten Weidegang gönnen.
Du solltest deinem Pferd allerdings in den ersten Tagen nach der Impfung keine größeren Anstrengungen oder stressige Situationen zumuten. Die Herpes-Impfung ist eine Herausforderung für das Immunsystem deines Pferdes. Sein Organismus hat anschließend schon genug damit zu tun, neue Abwehrmechanismen zu entwickeln. Deshalb sollte er nicht unnötig zusätzlich gefordert werden.
Ist die Herpesimpfung beim Pferd Pflicht?
Nein, seit dem 15. April 2024 ist die Impfpflicht gegen Herpes beim Pferd aufgehoben worden. Doch für eine Weile sah das anders aus. Aufgrund schwerer Herpes-Erkrankungen mehrerer Pferde mit teilweise tödlichem Ausgang gab es seit dem ersten Januar 2023 eine entsprechende Impfpflicht für Turnierpferde. Pferde, die viel unterwegs sind, gehören zur Risikogruppe für eine Erkrankung an EHV.
Sie gefährden auch andere Pferde in ihrem Heimatstall. Wo sich viele Pferde aus unterschiedlichen Ställen auf teilweise engstem Raum begegnen, kommt es zu einem Austausch von Viren und Bakterien. Das muss nicht grundsätzlich gefährlich sein. Im Fall von Herpesviren scheint das aber für einige Zeit ein ernsthaftes Problem gewesen zu sein.
In welchem Abstand Herpes Impfung beim Pferd vornehmen lassen?
Bei der Herpesimpfung für Pferde musst du zwischen der anfänglichen Grundimmunisierung und späteren Auffrischungsimpfungen unterscheiden. Für die Grundimmunisierung erhält das Pferd drei Impfungen. Die erste Herpesimpfung beim Pferd erfolgt im Alter von frühestens fünf oder sechs Monaten.
Etwa ein bis anderthalb Monate nach der ersten Herpesimpfung erfolgt dann die zweite Impfung. Ein halbes Jahr nach der zweiten Impfung findet dann die dritte und letzte Impfung für die Grundimmunisierung statt. Zu den Auffrischungsimpfungen wird ein Abstand von jeweils einem halben Jahr empfohlen.
Herpes-Impfung beim Pferd Kosten seit 2023
Wie bei allen Interventionen von Tierärzten, verursacht auch die Herpesimpfung beim Pferd Kosten für den Pferdehalter. Bis November 2022 galten Pferde aus tierärztlicher Sicht noch als landwirtschaftliche Nutztiere. Mit etwa 50 Euro lagen die Kosten für eine einzelne Herpes-Impfung beim Pferd noch im Rahmen des Vertretbaren.
Seit November 2022 werden Pferde in der Gebührenordnung für Tierärzte allerdings nicht mehr als landwirtschaftliche Nutztiere gehandhabt, sondern als Haustiere definiert. Anders als mit einem Hund, kannst du mit deinem Pferd zumeist nicht einfach in die tierärztliche Praxis kommen. Der Tierarzt rechnet also für jede Impfung einen Hausbesuch ab.
Damit sind schon etwa 35 €, zuzüglich Mehrwertsteuer, Wegegeld und eventueller Wochenendzuschläge fällig. Für die Impfung wird mittlerweile zwischen 100 und 150 € verlangt. Nach der Einführung der neuen GOT (Gebührenordnung für Tierärzte), solltest für eine Herpes Impfung beim Pferd mit Kosten von bis zu 200 € rechnen.
Hat die Herpesimpfung beim Pferd Nebenwirkungen?
Eine Herpesimpfung geht beim Pferd nicht selten mit einigen Nebenwirkungen einher. Meist sind diese jedoch nicht besonders tragisch und nach wenigen Tagen auch schon wieder verschwunden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Herpesimpfung beim Pferd gehören Schwellungen an der Einstichstelle, leichtes Fieber sowie Appetit- und Teilnahmslosigkeit in den ersten zwei Tagen. Falls die Herpesimpfung bei deinem Pferd Nebenwirkungen verursacht, die davon abweichen, solltest du deinen Tierarzt informieren.
Herpes beim Pferd ist eine sogenannte "Stallseuche", die innerhalb kürzester Zeit den Großteil eines Bestands infizieren kann. Für einzelne Tiere besteht die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs mit bleibenden neurologischen Schädigungen, die unter Umständen eine Euthanasie aus Tierschutzgründen indizieren. Durch Impfungen soll das Risiko eines schweren Verlaufs reduziert werden.
Quellenangaben
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7970122/
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1939-1676.2009.0304.x
https://ivcjournal.com/integrative-approach-ehm/
https://lua.rlp.de/de/unsere-themen/lexikon/lexikon-e/equines-herpesvirus/
Hier findest du gut strukturierte Beschreibungen sämtlicher wichtiger Pferdekrankheiten – für medizinische Laien verständlich erklärt.
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